AIDS-Aufklärung in den Schulen
RdErl. vom 10. März 1987 (NBl. KM. Schl.-H. S. 98)
Die Öffentlichkeit ist durch das Auftreten und die Verbreitung von
AIDS-Erkrankungen bewegt. Ursprünglich waren von AlDS vor allem besondere
Risikogruppen betroffen: Homosexuelle und bisexuelle Männer, Drogenabhängige
(Fixer) und Hämophile (Bluterkranke). Sie gehören - bis auf die letztgenannten
- bis heute zu den Hauptbetroffenen. Nach dem derzeitigen
medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand scheint sich jedoch abzuzeichnen,
daß das AIDS-Problem mit großer Wahrscheinlichkeit nicht ein Problem dieser
Risikogruppen bleiben wird. Gefährdet sind demnach z. Z.
- Menschen mit homosexuellem oder mit bisexuellem Verhalten und häufig
wechselnden Geschlechtspartnern,
- Drogenabhängige, die benutzte Spritzen untereinander weitergeben,
- Menschen, die in der Vergangenheit infiziertes Blut bzw. Blutprodukte
verabreicht bekommen haben,
- Sexualpartner dieser Gruppen sowie
- Sexualpartner dieser Sexualpartner
- und Kinder von AIDS-infizierten Müttern.
Bekannt ist darüber hinaus, daß es eine Therapie gegen AIDS zur Zeit nicht
gibt und es voraussichtlich noch einige Jahre dauern wird, bis
erfolgversprechende Maßnahmen möglich sind. Das bedeutet, daß derjenige, der
infiziert ist, bis auf weiteres dem Verlauf von Infektion und Krankheit
ausgeliefert ist. Die einzige Möglichkeit, im Augenblick etwas gegen die
Ausbreitung der Krankheit zu tun, sind vorbeugende Maßnahmen. Sie bestehen
darin, daß jeder Gesunde versucht, eine Ansteckung zu vermeiden bzw. das
Ansteckungsrisiko zu vermindern, und daß jeder Infizierte versucht, keinen
anderen anzustecken. Das setzt möglichst umfassende Information voraus.
Solange der Prävention bei der AIDS-Problematik eine so herausragende Bedeutung
zukommt, tragen die für Erziehung und Unterricht Zuständigen in unserer
Gesellschaft ein besonderes Maß an Mitverantwortung. Bei der Aufklärungsarbeit
in den Schulen sind Hauptzielgruppen die älteren Schüler (etwa ab Klassenstufe
8). In diesem Alter werden bereits erste sexuelle Kontakte aufgenommen; das
läßt sie im Zusammenhang mit der AIDS-Problematik als gefährdet erscheinen.
Dieser Gefährdung muß durch eine entsprechende Aufklärungsarbeit im
Unterricht entgegengewirkt werden. Dazu gebe ich folgende Hinweise:
1. Information der Lehrer, Eltern und älteren Schüler
Die Information erfolgt auf der Grundlage einschlägiger Materialien der
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bzw. der zuständigen
Gesundheitsbehörden. Deshalb habe ich bereits 1986 veranlaßt, daß über das
IPTS an alle allgemeinbildenden und berufsbildenen Schulen des Landes das
Informationsblatt Nr. 4 "AIDS - was jeder über AIDS wissen sollte"
der Bundeszentrale übersandt wurde.
Seit Anfang März 1987 wird ein neues, aktualisiertes und zielgruppengerechteres
Informationsblatt der Bundeszentrale "AIDS - Information für Lehrer,
Eltern und ältere Schüler" an alle Schüler ab Klassenstufe 8 in den
allgemeinbildenden und an alle Schüler in den berufsbildenden Schulen
ausgeliefert. Jede Schule erhält darüber hinaus dieses Faltblatt in Form von
Plakaten, die in den Räumen der Schule bzw. auch in den Klassenräumen
aufgehängt werden können. Ich bitte, sofern noch nicht geschehen, das
Faltblatt, das von der Bundeszentrale direkt an die Schulen versendet wird,
allen Schülern ab Klassenstufe 8 auszuhändigen und auch den Lehrkräften und
Elternbeiräten der Schulen zugänglich zu machen. Nachbestellungen sind bei der
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in Köln direkt möglich.
Anfang April werden der Sozialminister, die Ärztekammer und die
Landesvereinigung für Gesundheitsförderung ein zusätzliches Faltblatt für
die Bevölkerung in Schleswig-Holstein herausgeben in dem insbesondere auf die
Beratungsmöglichkeiten in Schleswig-Holstein hingewiesen werden soll. Ich werde
sicherstellen, daß die Schulen dieses Beratungsblatt unverzüglich erhalten und
in ihre Aufklärungsarbeit mit einbeziehen können.
Maßnahmen zur Aufklärung über AIDS werden eine Daueraufgabe sein. Sie richten
sich in ständiger Abstimmung zwischen Bund, Ländern, Gesundheitsämtern und
anderen Institutionen nach Art, Inhalten und Schwerpunkten an den
fortschreitenden Erkenntnissen und den jeweils aktuellen
Aufklärungserfordernissen und -bedürfnissen aus. Insofern werde ich, wenn es
angezeigt ist, auf neues Aufklärungs- und Informationsmaterial hinweisen.
2. Lehrerfortbildung
Die Aufklärung in den Schulen und insbesondere die Behandlung des Themas AIDS
im Unterricht machen eine intensive Lehrerfortbildung notwendig. Das IPTS wird
Fortbildungsveranstaltungen für Lehrkräfte aller Schularten durchführen, die
vor allem die Aussprache mit Fachleuten ermöglichen. Eine erste größere
Veranstaltung ist in Zusammenarbeit mit der Universität Kiel noch für Ende
März 1987 vorgesehen. Sie ist durch das IPTS ausgeschrieben.
Zusätzlich hat das IPTS Arbeitskreise "Lehrer - Ärzte - Eltern zur
Gesundheitserziehung" eingerichtet, die, beginnend in den Kreisen Herzogtum
Lauenburg, Schleswig-Flensburg, Plön und Steinburg auf regionaler Ebene
Fortbildungsveranstaltungen für Lehrer aller Schularten zum Thema AIDS in
Zusammenarbeit mit den zuständigen Gesundheitsämtern anbieten werden. Ich
bitte, auf die entsprechenden Veranstaltungshinweise der IPTS-Seminare zu
achten.
Mit Beginn des Schuljahres 1987/88 ist vom IPTS geplant, das System der
Arbeitskreise "Lehrer - Ärzte - Eltern zur Gesundheitserziehung"
landesweit einzurichten. Damit soll die Möglichkeit geschaffen werden, auf
regionaler Ebene Fortbildungsveranstaltungen für Lehrer und Elternvertreter
schwerpunktmäßig zum Thema AIDS einzurichten.
3. Behandlung des Themas AIDS im Unterricht
3.1 Beteiligung der Fächer
Die biologischen, medizinischen und hygienischen Aspekte der Aidsthematik lassen
es sinnvoll erscheinen,
den Schwerpunkt der unterrichtlichen Arbeit in den Biologieunterricht in
Verbindung mit den entsprechenden Lehrplanhinweisen zu legen. Die
Gesamtproblematik von AIDS ist aber so vielschichtig, daß andere Fächer an der
Behandlung des Themas beteiligt werden sollten. Insbesondere die psychosozialen
Aspekte passen eher in den Kontext der Fächer Religion, Philosophie,
Gemeinschaftskunde und Deutsch. Die Beteiligung mehrerer Fächer an der
Behandlung der AIDS-Thematik hat auch den Vorteil, daß sich Lehrer
untereinander absprechen und so die Auseinandersetzung mit dem Problemfeld AIDS
in den Kollegien gefördert wird.
3.2 Unterrichtsmaterial für die Hand des Lehrers
Bis Ende 1986 gab es kein spezielles Unterrichtsmaterial zum Thema AIDS. Seit
Anfang 1987 sind erste - auch in der Praxis erprobte - Materialien bekannt.
- Beim Deutschen Institut für Fernstudien an der Universität Tübingen (DIFF)
ist im Rahmen des dortigen Fernstudienlehrganges "Molekularbiologie"
ein Fernstudienbrief "AIDS-erworbenes-Immunmangelsyndrom" Anfang 1987
erschienen. Dieser Fernstudienbrief kann beim DIFF, Wöhrstr. 8, 7400 Tübingen,
direkt bestellt werden. Die Schutzgebühr beträgt je Studienbrief 8; DM bzw. ab
drei Exemplaren 5,- DM zuzüglich Versandkosten.
- Ende April 1987 werden alle Schulen von der Bundeszentrale für
gesundheitliche Aufklärung zunächst je 2 kostenlose Lehrerhandbücher
"Unterrichtsmaterial zum Thema AIDS für die 9. und 10. Klasse"
erhalten.
Das Material erscheint zeitgleich im Klett-Verlag und kann dort bei Bedarf
nachbestellt werden.
- Bei der Landesbildstelle in Kiel sind - zusätzlich zu bereits vorhandenen
Medien zum Thema AIDS - seit Anfang März zwei neue Filme des Instituts für
Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht (FWU) München ausleihbar. Der Film
"Was jeder über AIDS wissen sollte" ist für Schüler der
Klassenstufen 7 bis 9 bzw. 10 der Hauptschulen, Realschulen, Gymnasien und
Sonderschulen geeignet. Der Film "AIDS - die tödliche Seuche" ist
schwerpunktmäßig für Schüler der gymnasialen Oberstufe, Fachoberschulen und
Fachschulen hergestellt worden.
- Über die örtlichen Gesundheitsämter kann der Film "AIDS - klarer
sehen" ausgeliehen werden, der sich insbesondere zur Einarbeitung der
Lehrkräfte in die Behandlung des Themas eignet.
4. Allgemeine Hinweise
Wegen der Bedeutung des Themas sollte in den Schulen zur Vorbereitung der
unterrichtlichen Behandlung das Thema AIDS in den dafür in Frage kommenden
Fachkonferenzen und der Lehrerdienstversammlung erörtert werden.
§ 86 Abs. 2 SchulG sieht die Zusammenarbeit von Schule und Eltern auch bei
Fragen der Geschlechterziehung vor. Im Rahmen einer gerade bei diesem Thema
besonders notwendigen vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den Eltern sollen die
Lehrkräfte die Möglichkeit der Zusammenarbeit mit ihnen voll ausschöpfen und
versuchen - wenn erforderlich - auch im persönlichen Gespräch ihre Fragen und
Anliegen zu diskutieren. Zusätzlich verweise ich darauf, daß § 73 Abs. 7
SchulG die Möglichkeit vorsieht, auch Vertreter des Gesundheitswesens in den
Unterricht einzubeziehen. Hier sollte die Schule die Zusammenarbeit mit dem
Gesundheitsamt suchen.
Auf der Grundlage der vorstehenden Hinweise bitte ich alle Schulleiter darauf
hinzuwirken, daß im Rahmen der unterrichtlichen Möglichkeiten unverzüglich
mit der AIDS-Aufklärung begonnen werden kann.