Schulische Integration von Kindern und Jugendlichen in Erziehungshilfeeinrichtungen 2017   Seite drucken

Schulische Integration von Kindern und Jugendlichen in Erziehungshilfeeinrichtungen
Erlass des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur vom 20. Oktober 2017 - III 22
(NBI.MBF Schl.-H. 2017 S. 410)

I. Rechtliche Ausgangslage
Kinder und Jugendliche, die in Erziehungshilfeeinrichtungen leben und in Schleswig-Holstein ihre melderechtliche Hauptwohnung (§ 2 Absatz 8 Schulgesetz) haben, sind gemäß § 20 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 Schulgesetz schulpflichtig.

Kinder und Jugendliche in Erziehungshilfeeinrichtungen ohne melderechtliche Hauptwohnung in SchleswigHolstein haben grundsätzlich einen Anspruch auf den Besuch einer öffentlichen Schule. Über die Aufnahme der Kinder und Jugendlichen im Einzelfall entscheidet die Schulleiterin oder der Schulleiter nach Ermessen, welches gemäß § 73 Landesverwaltungsgesetz (LVwG) vom 2. Juni 1992 (GVOBl. S. 243, 534), zuletzt geändert durch Gesetz vom 11. Januar 2017 (GVOBl. S. 8) pflichtgemäß auszuüben ist. Ist an der Schule noch ein Schulplatz vorhanden, ist das Kind oder der Jugendliche daher vorbehaltlich der nachstehenden Regelungen grundsätzlich dort aufzunehmen.

Es gehört zu den Pflichten des Trägers einer Einrichtung, in der Hilfe zur Erziehung durchgeführt wird, den Schulbesuch der bei ihm aufgenommenen Kinder und Jugendlichen sicherzustellen. Wenn diese jungen Menschen aus erzieherischen Gründen weder eine öffentliche noch eine genehmigte Ersatzschule besuchen können, so hat der Träger gemäß § 43 Jugendförderungsgesetz (JuFöG) dafür Sorge zu tragen, dass der erforderliche Schulunterricht als Maßnahme der Hilfe zur Erziehung anderweitig erteilt wird oder dass eine besondere pädagogische Förderung stattfindet, die eine Wiedereingliederung in die Schule möglich macht. Der Träger der Einrichtung hat dabei das Einvernehmen mit der zuständigen Schulaufsichtsbehörde herzustellen.

Nach § 2 Absatz 2 Nr. 12 der Landesverordnung zum Schutz von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen (Kinder- und Jugendeinrichtungsverordnung – KJVO vom 13. Juli 2016, GVOBl. S. 567) haben die Träger von Erziehungshilfeeinrichtungen mit dem Antrag auf Betriebserlaubnis eine Konzeption vorzulegen, die über die Umsetzung der genannten Bestimmung des Jugendförderungsgesetzes Auskunft gibt. Außerdem sollen sie nach § 6 Absatz 3 Satz 2 der genannten Verordnung den zuständigen unteren Schulaufsichtsbehörden unverzüglich anzeigen, sobald ein Kind oder ein Jugendlicher im schulpflichtigen Alter in der Einrichtung aufgenommen wird.

II. Ziel des Erlasses
Die Schulämter haben - häufig gemeinsam mit den Förderzentren und den Erziehungshilfeeinrichtungen bzw. ihren Trägern - in ihrem jeweiligen Kreis Konzepte zur schulischen Integration von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen entwickelt, die über Routinen hinaus auch Formblätter u. Ä. enthalten. Ziel ist es immer, den Kindern und Jugendlichen so zügig wie möglich den Besuch einer öffentlichen Schule zu ermöglichen. Mit diesem Erlass sollen die Verfahrensweisen standardisiert und die Schrittfolge landesweit verbindlich festgelegt werden.

Damit soll sichergestellt werden, dass alle Kinder und Jugendlichen, die in eine Erziehungshilfeeinrichtung aufgenommen werden, im Regelfall umgehend an einer Schule (öffentliche Schule oder Ersatzschule) beschult werden. Soweit eine einrichtungsinterne Vorbereitung auf den Schulbesuch aus erzieherischen Gründen erforderlich sein sollte, kann diese nur vorübergehend sein.

III. Verfahren
1. Am Anfang des Verfahrens steht die Anzeige der jeweiligen Erziehungshilfeeinrichtung über die Aufnahme eines Kindes oder eines Jugendlichen im schulpflichtigen Alter gemäß § 6 Absatz 3 Satz 2 KJVO.

2. Das Schulamt erörtert mit der Einrichtung die Beschulungsmöglichkeiten, woraufhin die Eltern (§ 2 Absatz 5 Satz 1 Schulgesetz) einen Aufnahmeantrag bei der gewünschten Schule stellen. Das Schulamt gibt die Kontaktdaten an diese Schule weiter. Die Schulleiterin oder der Schulleiter fordert bei der von dem Kind oder dem Jugendlichen zuletzt besuchten Schule die Schülerakte an und prüft, ob ein sonderpädagogischer Förderbedarf vorliegt oder ob es Hinweise auf einen vermuteten sonderpädagogischen Förderbedarf gibt. Ist die zuletzt besuchte Schule eine öffentliche Schule in Schleswig-Holstein, ist § 12 Absatz 1 bis 3 SchulDatenschutzverordnung vom 5. Juni 2015 (NBl. MSB. Schl.-H. S. 163) zu beachten.

3. Liegt kein bereits anerkannter sonderpädagogischer Förderbedarf vor, so führt die allgemein bildende Schule mit der Erziehungshilfeeinrichtung ein Aufnahmegespräch. Dabei kann das Förderzentrum beratend hinzugezogen werden. Wenn keine
Hinweise auf das Vorliegen eines sonderpädagogischen Förderbedarfs erkennbar sind, nimmt die ausgewählte Schule das Kind bzw. den Jugendlichen auf und begründet ein Schulverhältnis. Kann die ausgewählte Schule aus Kapazitätsgründen das
Kind oder den Jugendlichen nicht aufnehmen, weist das Schulamt einen geeigneten Schulplatz an einer anderen Schule nach. Die aufnehmende Schule informiert die Eltern und die Einrichtung schriftlich über die Aufnahme.

4. Bei Vorliegen eines anerkannten sonderpädagogischen Förderbedarfs wird durch das Förderzentrum ein Koordinierungsgespräch gemäß § 5 Landesverordnung über sonderpädagogische Förderung (SoFVO) vom 20. Juli 2007 (NBl. MBF. Schl.-H.S. 211), zuletzt geändert durch Verordnung vom 28. Februar 2013 (NBl. MBW. Schl.-H. S. 60), durchgeführt, an dem die Erziehungshilfeeinrichtung mitwirkt. Dabei wird insbesondere geprüft, ob bzw. mit welchen Unterstützungsmaßnahmen der Besuch
der öffentlichen Schule ermöglicht werden kann oder ob in einer Übergangszeit aus erzieherischen Gründen eine besondere Vorbereitung auf den Schulbesuch, z. B. durch anderweitigen Unterricht im Rahmen der Einrichtung, erforderlich ist.

5. Wenn es Hinweise auf das Vorliegen eines sonderpädagogischen Förderbedarfs gibt, wird durch das Förderzentrum ein koordinierendes Gespräch geführt, an dem die Eltern und die Einrichtung mitwirken. Dabei wird insbesondere geprüft, ob ein
sonderpädagogisches Überprüfungsverfahren (§ 4 SoFVO) eingeleitet werden soll und mit welchen Unterstützungsmaßnahmen der Besuch der öffentlichen Schule ermöglicht werden kann oder ob in einer Übergangszeit aus erzieherischen Gründen eine besondere Vorbereitung auf den Schulbesuch, z. B. durch anderweitigen Unterricht im Rahmen der Einrichtung, erforderlich ist. Im Übrigen gelten die Ziffern 3 oder 4 entsprechend.

6. Wenn für ein Kind oder einen Jugendlichen zunächst anderweitiger Unterricht in der Jugendhilfeeinrichtung anstelle des Besuchs der öffentlichen Schule vereinbart worden ist, berät das Förderzentrum mindestens einmal pro Schulhalbjahr mit der
Einrichtung über den Stand der Entwicklung. Das Förderzentrum informiert das Schulamt jeweils über den Sachstand und das mit der Einrichtung verabredete weitere Vorgehen. Sobald eine Wiedereingliederung in die Schule möglich erscheint, erfolgt
eine erneute Koordinierung durch das Förderzentrum mit dem Ziel der Aufnahme in eine allgemein bildende Schule. Sollte die Einrichtung die gemeinsame Beratung verweigern oder sollte in der Einrichtung erkennbar keine zielführende Förderung
erfolgen, informiert das Schulamt die Heimaufsicht des Landesjugendamtes entsprechend.

7. Die Schulämter stellen den Erziehungshilfeeinrichtungen in ihrem Zuständigkeitsbereich das als Anlage 1 beigefügte Formblatt zur Verfügung. Die Einrichtungen können dieses Formblatt verwenden, um ihre Pflicht aus § 6 Absatz 3 Satz 2 KJVO zu
erfüllen.

Als Grundlage der Beratung des zuständigen Förderzentrums mit der jeweiligen Erziehungshilfeeinrichtung über den Stand der Entwicklung des Kindes oder des Jugendlichen gemäß Ziffer 6 kann bei schriftlicher
Einwilligung der Eltern das Formblatt in Anlage 2 oder ein eigenes Berichtsformat der Einrichtung verwendet werden.

Paragraf – Schulrecht für Schleswig-Holstein