Kuhn 1998 |
Die Ministerin
für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur
des Landes
Schleswig-Holstein
KIEL, den 23.Mai 1989
- X 2 -
Die Ministerin für Bildung, Wissenschaft Jugend und Kultur des Landes
Schleswig-Holstein Postfach 1109 2300 Kiel 1
An die
Grundschulen, Hauptschulen,
Grund- und Hauptschulen
nachrichtlich an:
die Sonderschulen,
die Realschulen mit Grund-/Hauptschulteil
Landesinstitut für Praxis
und Theorie der Schule
Schreberweg 5
2300 Kiel
Betr.: 1. Arbeitszeitverkürzung
2. Lehrerversorgung im neuen Schuljahr
3. Stundenplan und Klassenbildung
4. Verschiedenes
4.1 Verstärkt differenzierter Grundschulunterricht
4.2 Berichtszeugnisse
4.3 Einschulungstag der Schulanfänger
Bezug: Mein Runderlaß - X 2 - vom 2.6.1987 an die Grund- und Hauptschulen
Rundschreiben - X G - vom 5.5.1989 an die Schulleiter und Schulleiterinnen
l. Arbeitszeitverkürzung
Wie Sie sicher wissen, hat die Landesregierung beschlossen, die regelmäßige
Pflichtstundenzahl für Grund- und Hauptschullehrer mit Wirkung vom 1. August
1989 von 28 auf 27 zu senken. Ein Erlaß darüber wird im Nachrichtenblatt
erscheinen.
Im Zuge einer seit längerem geplanten Harmonisierung unter den Schularten
werden die Ausgleichsstunden für Klassenlehrerinnen und Klassenlehrer der
Abschlußklassen zurückgenommen. Ihr Grund, die Bemühungen des Klassenlehrers
während des großen Lehrstellenmangels, ist inzwischen wieder entfallen. Die
Rücknahme ist auch notwendig, um das Ergebnis der Tarifverhandlungen vom März
1988 auf die Lehrerinnen und Lehrer übertragen zu können. Es ist besser, alle
Lehrkräfte an der allgemeinen Arbeitszeitverkürzung zu beteiligen, als
einzelne Lehrkräfte. wechselnd durch bestimmte Anrechnungsstunden zu entlasten.
Die im Runderlaß vom 2. Juni 1987 unter 1 auf Seite 2 in der äußeren Form
eines § 2 Abs. 8 Satz 2 enthaltene Regelung wird daher hiermit nach § 110 Abs.
4 SchulG aufgehoben.
Alle anderen Entlastungen für Grund- und Hauptschullehrer, z. B. die
Altersermäßigung und Ausgleichsstunden für Schulleiter, Studienleiter,
Beratungslehrer usw. bleiben bestehen und werden jetzt von 27 Wochenstunden
statt bisher 28 an gerechnet.
2. Lehrerversorgung im neuen Schuljahr
Die Unterrichtssituation an Grund- und Hauptschulen hatte sich bereits seit 1987
leicht angespannt. Zum neuen Schuljahr kommen nun eine Reihe von Belastungen
zusammen, die die Lehrerversorgung spürbar erschweren. Es wächst die Zahl der
Grundschüler und der Aussiedlerkinder, die Zahl der Lehramtsanwärter geht
weiter zurück. Zu den Auswirkungen der Arbeitszeitverkürzung kommt der
Mehrbedarf für wichtige pädagogische Reformen, insbesondere eine nochmalige
Förderung neuer Klassen mit verstärkt differenziertem Unterricht, weitere 10.
Hauptschulklassen und weitere Integrationsklassen.
Der Landtag hat trotz der sehr schwierigen Haushaltslage erhebliche
Anstrengungen unternommen, um diese Belastungen zumindest teilweise aufzufangen.
Erstmals seit 6 Jahren werden bei Grund- und Hauptschulen keine Planstellen mehr
eingespart. Es werden sogar, praktisch erstmals seit 15 Jahren und während an
Realschulen und Gymnasien bei zurückgehenden Schülerzahlen weiter gespart
wird, neue Planstellen geschaffen, 70 für die Arbeitszeitverkürzung und 15
für pädagogische Reformen. Damit können erstmals wieder über die
Teilzeitbeschäftigung nach § 88 a LBG hinaus neue Lehrkräfte eingestellt
werden, voraussichtlich 160 mit Dreiviertel-Vertrag. Trotzdem reicht das nicht,
um eine Verschlechterung der Unterrichtssituation voll abzuwenden.
In dieser Situation mußte eine pauschale Anhebung des Klassenteilers oder ein
Zurückgehen auf die starre, nach Klassengröße differenzierte Stundentafel der
70er Jahre erwogen werden. Dies entspricht jedoch nicht der Absicht der
Landesregierung, den Schulen mehr Freiraum zu geben. Durch eine Erweiterung des
pädagogischen Gestaltungsraumes können die einzelnen Schulen im Rahmen der
naturgemäß stets begrenzten Lehrerzuteilung ihre besonderen Bedingungen und
pädagogischen Konzepte besser berücksichtigen. Diesen Grundsätzen entspricht
es nicht, starre, für alle Schulen gleiche Regelungen "am grünen
Tisch" zu treffen.
3. Stundenplan und Klassenbildung
Aus diesen Gründen hebe ich hiermit gemäß § 110 Abs. 3 SchulG die für
Grundschulen und Hauptschulen (einschließlich Vorklassen, Schulkindergärten,
Vorbereitungsklassen und Werkklassen, ohne Realschulen mit Grund- und
Hauptschulklassen) die bisher geltenden Klassenteiler auf. Die Schulen können
somit über die Klassenbildung selber entscheiden.
Die Stundentafel wurde erlassen, als die durchschnittliche Klassenfrequenz etwa
30 betrug, und war auf diese Klassengröße zugeschnitten. Bei kleineren Klassen
kann davon abgewichen werden. Kürzungen dürfen jedoch im Durchschnitt pro Fach
nicht mehr als eine Wochenstunde betragen, sich nicht einseitig auf bestimmte
Fächer, Klassenstufen oder auf die Wahlangebote konzentrieren und auch die
Fächer Deutsch und Mathematik nicht generell ausnehmen. Für eine
Jahrgangsklasse mit weniger als 15 Schülern halte ich jedoch eine
Mindestschülerstundenzahl in den Klassen 1 und 2 von 16, in den Klassenstufen 3
und 4 von 21 und in den Klassenstufen 7 - 9 von 25 für erforderlich:
Im Rahmen der Lehrerzuteilung kann jede Schule damit in eigener pädagogischer
Verantwortung entscheiden, ob sie z.B. ganz oder teilweise kleinere Klassen mit
entsprechend weniger Stunden bildet oder größere Klassen mit breiterem
Unterrichtsangebot. Bei Schulen mit sehr kleinen Jahrgängen bedeutet dies unter
Umständen, zwischen Jahrgangsklassen mit weniger Stunden und
jahrgangsübergreifenden Klassen mit voller Stundenzahl zu entscheiden.
Jede Schule kann ihren pädagogischen Gestaltungsraum weiter vergrößern, wenn
sie z.B.
- mehrere Fächer in der Hand eines Lehrers verbindet, so daß
fächerübergreifend oder projektorientiert unterrichtet werden kann,
- verstärkt einzelne Fächer, Kurse, tägliche Bewegungszeit,
Arbeitsgemeinschaften oder Projekte klassenübergreifend durchführt; § 5 Abs.
2 SchulG schreibt lediglich vor, daß "in der Regel" der Unterricht
für alle Fächer in derselben Gruppe erteilt wird
- anstelle äußerer Differenzierung, z.B. durch Förderstunden, verstärkt
binnendifferenzierenden Unterricht durchführt,
- nach der Klassenstufe 2 die Klassen neu bildet,
je nach Belastung Parallelklassen mit unterschiedlicher Schüler- und
Stundenzahl vorsieht.
Vor der Entscheidung sind die Grundsätze der Klassenbildung und
Stundenplangestaltung zunächst mit dem örtlichen Personalrat abzustimmen und
dann mit dem Schulelternbeirat zu erörtern. Die Vergrößerung des
pädagogischen Gestaltungsraumes wird nur dann von Erfolg sein, wenn dieses
Zusammenwirken in vertrauensvoller Weise gelingt.
Dem Grundgedanken der Delegation folgend habe ich den Schulämtern die
Verteilung der Planstellen auf die Grund- und Hauptschulen in eigener
Zuständigkeit übertragen und gebeten, ihrerseits eng mit Bezirkspersonalrat
und Kreiselternbeirat zusammenzuarbeiten.
4.1 Verstärkt differenzierter Grundschulunterricht
Mit Erlaß vom 2.6.1987 hatte ich den Grundschulen angeboten zu erproben, wie
der Lehrplanteil "Erziehung und Unterricht" stärker ausgeschöpft
werden kann. Dies hat viele Schulen zu kleineren oder größeren Schritten
ermutigt.
Unter bestimmten Voraussetzungen hatte ich größere Schritte durch zusätzliche
Lehrer- und Anrechnungsstunden erleichtert. Im Schuljahr 1988/89 ist an 108
Grundschulklassen (47 Schulen) davon Gebrauch gemacht worden. Im neuen Schuljahr
wird sich die Zahl etwa verdoppeln. Damit gibt es über das Land verteilt
genügend Klassen, die anderen Lehrkräften Anregungen bieten können. Neue
Klassen werde Ich daher in dieser Form ab 1990 nicht mehr fördern. Neue
Anrechnungsstunden wegen verstärkt differenziertem Grundschulunterrichts soll
es ab 1990 nur noch für besondere Aufgaben in der Lehrerfortbildung geben.
Es ist erfreulich festzustellen, daß in vielen Schulen des Landes Lehrerinnen
und Lehrer auch ohne Ausgleichsstunden ihren Unterricht in kleinen Schritten
stärker differenzieren und öffnen. Die Arbeitszeitverkürzung kann ihnen bei
diesen Bemühungen helfen.
4.2 Berichtszeugnisse
Der Landtag hat am 25. April der Landesregierung empfohlen, ab Schuljahr 1989/90
in der 2. Klassenstufe Zeugnisse ohne Noten zu erteilen. Eine entsprechende
Änderung von § 6 der Grundschulordnung befindet sich zur Zeit in der
Anhörung. Mit einer Entscheidung ist vor der Sommerpause zu rechnen.
Sollte der Aufforderung des Landtages gefolgt werden, ist zu erwarten, daß zum
Halbjahr des Schuljahres 1989/90 die ersten Berichtszeugnisse in der 2.
Klassenstufe erteilt werden. Für diesen Fall bitte ich, rechtzeitig vor dem
Zeugnistermin in Klassenelternversammlungen diese Maßnahme zu erläutern und
sie vorher ausführlich in Lehrerdienstversammlungen zu besprechen. Zur
Unterstützung der Schulleiter sind Fortbildungsveranstaltungen des IPTS,
Schulleiterdienstversammlungen und Handreichungen des IPTS geplant. Andere
Bundesländer haben mit dieser Zeugnisform weitergehende Erfahrungen als
Schleswig-Holstein; darüber gibt es ausreichend qualifizierte Literatur.
- Für die Klassenstufen 3 und 4 wird z.Zt. ein Erlaß vorbereitet, der die
Erteilung von Berichtszeugnissen unter besonderen Bedingungen als Schulversuch
auf Antrag der Schule vorsieht. Der Erlaß wird vor der Sommerpause im
Nachrichtenblatt erscheinen.
4.3 Einschulungstag der Schulanfänger
Wie bisher sollen Einschulungsfeiern für Schulanfänger spätestens 3 Tage nach
Unterrichtsbeginn stattfinden. Da auch im Schuljahr 1989/90 der erste
Unterrichtstag nach den Sommerferien ein Montag ist, bin ich mit der Regelung
des Vorjahres einverstanden. Die Einschulungsfeier kann spätestens am Sonnabend
der ersten Schulwoche erfolgen, wenn die betroffenen Lehrkräfte anderweitig
eingesetzt werden (z. B. Teilnahme an IPTS-Veranstaltungen für
Anfangsunterricht, gegenseitige Hospitation, Herstellung von Arbeitsmaterialien
usw.).
Im Auftrage
Dr. Gustav Kuhn