Nachteilsausgleich |
Landesverordnung zum Neuerlass der Landesverordnung
über die Gewährung von Nachteilsausgleich und Notenschutz und zur
Änderung der Zeugnisverordnung und der Landesverordnung über
sonderpädagogische Förderung Vom 16. Februar 2022 (NBl.MBWK.Schl.-H. 2022 S.58) Aufgrund des § 16 Absatz 4, § 27 Absatz 1 Satz 2 und des § 126 Absatz 1 und 2 Nummer 3 des Schulgesetzes vom 24. Januar 2007 (GVOBl. Schl.-H. S. 39, ber. S. 276), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. Juni 2021 (GVOBl. Schl.-H. S. 723), verordnet das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur: Artikel 1 Landesverordnung über die Gewährung von Nachteilsausgleich und Notenschutz (Nachteilsausgleichs- und Notenschutzverordnung – NuNVO) Abschnitt 1 Einleitende Vorschrift § 1 Geltungsbereich, Grundsatz (1) Diese Verordnung gilt in allen Schularten und Jahrgangsstufen für Schülerinnen und Schüler in den Fächern, in denen sie nach den Lehrplan- und Fachanforderungen einer allgemein bildenden oder berufsbildenden Schule unterrichtet oder geprüft werden. Maßnahmen zur individuellen Förderung von Schülerinnen und Schülern in Fächern, in denen sie abweichend von den Lehrplan- und Fachanforderungen einer allgemein bildenden oder berufsbildenden Schule unterrichtet werden, bleiben unberührt. (2) Nachteilsausgleich und Notenschutz dienen dazu, die Schülerinnen und Schüler mit Beeinträchtigungen in ihrer schulischen Entwicklung zu fördern, und sollen diese darin unterstützen, allgemein bildende und berufsbildende Abschlüsse zu erreichen. Die konkreten Maßnahmen im Einzelfall richten sich nach der Eigenart und Schwere der jeweiligen Beeinträchtigung. Sie ergänzen das Unterrichtsprinzip der individuellen Förderung der Schülerinnen und Schüler gemäß § 5 Absatz 1 Satz 3 des Schulgesetzes (SchulG). Abschnitt 2 Nachteilsausgleich § 2 Voraussetzungen für die Gewährung von Nachteilsausgleich (1) Schülerinnen und Schüler haben im Rahmen der Leistungsbewertung einen Anspruch auf Gewährung von Nachteilsausgleich, wenn ihre Fähigkeit, ihr vorhandenes Leistungsvermögen darzustellen, lang andauernd oder vorübergehend erheblich beeinträchtigt ist und die Aufrechterhaltung der fachlichen Anforderungen der Gewährung des Nachteilsausgleichs nicht entgegensteht. Die fachlichen Anforderungen stehen der Gewährung des Nachteilsausgleichs nicht entgegen, wenn die wesentlichen Leistungsanforderungen, die sich aus den für alle Schülerinnen und Schüler geltenden allgemeinen Lernzielen und den zu erwerbenden Kompetenzen ergeben, gewahrt sind. (2) Nachteilsausgleichsmaßnahmen können insbesondere sein: 1. verlängerte Arbeitszeiten bei Klassenarbeiten oder verkürzte Aufgabenstellung, 2. Bereitstellen oder Zulassen spezieller Arbeitsmittel wie zum Beispiel Schreibautomat, Computer oder spezielle Stifte, 3. eine mündliche statt einer schriftlichen Arbeitsform oder eine schriftliche statt einer mündlichen Arbeitsform, 4. organisatorische Veränderungen wie zum Beispiel individuell gestaltete Pausenregelungen, 5. Ausgleichsmaßnahmen anstelle einer Mitschrift von Tafeltexten oder digital vorgegebenen Texten, 6. differenzierte Aufgabenstellung und -gestaltung, 7. größere Exaktheitstoleranz, beispielsweise in Geometrie, beim Schriftbild oder in zeichnerischen Aufgabenstellungen, 8. individuelle Sportübungen, 9. Einbeziehung von Lehrkräften mit Gebärdensprachkompetenz oder Gebärdendolmetsche- rinnen und Gebärdendolmetschern. Sofern Lehrkräfte mit Gebärdensprachkompetenz oder Gebärdensprachdolmetscherinnen und Gebärdendolmetscher einbezogen sind, ist es außerdem zulässig, 1. dass sie bei schriftlichen Arbeiten Aufgabentexte gebärden und 2. dass die Betroffenen vollständig oder überwiegend den mündlichen Beitrag durch Gebärdensprache erbringen. In die Bewertung von Leistungen dürfen Hinweise auf eine gewährte Nachteilsausgleichsmaßnahme nach Satz 1 nicht aufgenommen werden. (3) Zulässige Maßnahmen des Nachteilsausgleichs werden nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein Notenschutz gemäß § 3 nicht gewährt wird oder nicht gewährt werden kann. Der Gewährung von Maßnahmen des Nachteilsausgleichs steht es nicht entgegen, wenn die Klassenkonferenz auch vor Abschluss des Verfahrens zur förmlichen Feststellung einer Lese-Rechtschreib-Schwäche Notenschutz gewährt. (4) Die Gewährung von Nachteilsausgleich wird nicht im Zeugnis und auch nicht bei sonstigen Leistungsnachweisen aufgeführt. § 3 Verfahren zur Gewährung von Nachteilsausgleich (1) Die Schulleiterin oder der Schulleiter entscheidet, ob Nachteilsausgleich gewährt wird und legt Art und Umfang der den Nachteilsausgleich betreffenden Maßnahmen fest. Die Entscheidung wird durch Bescheid der Schule gegenüber den Eltern oder der volljährigen Schülerin oder dem volljährigen Schüler bekannt gemacht. Nachteilsausgleich wegen Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten darf von der Schulleiterin oder dem Schulleiter nur mit Zustimmung der Klassenkonferenz gewährt werden. (2) Liegt bei der Schülerin oder dem Schüler ein sonderpädagogischer Förderbedarf vor, hat die Schulleiterin oder der Schulleiter bei der Entscheidung über Maßnahmen des Nachteilsausgleiches eine Stellungnahme des zuständigen Förderzentrums zu berücksichtigen. Soweit für die Gewährung von Nachteilsausgleich eine Änderung bei zentral gestellten Aufgaben in der Abschlussprüfung vorgesehen werden soll, ist die Zustimmung des für Bildung zuständigen Ministeriums erforderlich. (3) Soweit der Anspruch auf Gewährung von Nachteilsausgleich geltend gemacht wird, ist die andauernde oder vorübergehende erhebliche Beeinträchtigung der Fähigkeit der Schülerin oder des Schülers zur Darstellung des vorhandenen Leistungsvermögens von den Eltern oder von der volljährigen Schülerin oder dem volljährigen Schüler durch Vorlage eines fachärztlichen Zeugnisses über Art, Umfang und Dauer der Beeinträchtigung nachzuweisen. Abweichend von Satz 1 ist die Vorlage eines Schwerbehindertenausweises einschließlich der zugrundeliegenden Bescheide, von Bescheiden der Eingliederungshilfe, förderdiagnostischen Berichten oder sonderpädagogischen Gutachten ausreichend, wenn aus ihnen Art, Umfang und Dauer der Beeinträchtigung hervorgehen. (4) Der Nachteilsausgleich ist von Amts wegen zu gewähren, wenn ein Anspruch auf Gewährung von Nachteilsausgleich zwar nicht geltend gemacht wird, die Voraussetzungen für die Gewährung von Nachteilsausgleich aber gleichwohl vorliegen und die Eltern oder die volljährige Schülerin oder der volljährige Schüler dem von der Schule beabsichtigten Nachteilsausgleich nicht widersprochen haben, nachdem sie mindestens drei Tage vor Beginn der Maßnahme durch die Schule über diese informiert worden waren. Die Schulleiterin oder der Schulleiter kann nach Anhörung der Eltern oder der volljährigen Schülerin oder des volljährigen Schülers die Durchführung einer schulärztlichen Untersuchung beim Kreis oder der kreisfreien Stadt gemäß § 27 Absatz 1 Satz 1 SchulG anordnen, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung von Nachteilsausgleich von Amts wegen zu prüfen sind und die Beeinträchtigung nicht offenkundig oder nachgewiesen ist. (5) Nach einem Schulwechsel prüft die Schulleiterin oder der Schulleiter der aufnehmenden Schule, welche Formen des Nachteilsausgleichs der Schülerin oder dem Schüler zu gewähren sind, wenn die abgebende Schule der Schülerin oder dem Schüler bereits Nachteilsausgleich gewährt hat. Die Schulleiterin oder der Schulleiter darf die Entscheidung auch auf Grundlage von Bescheiden der abgebenden Schule treffen. (6) Die Schulleiterin oder der Schulleiter hebt den Nachteilsausgleich auf, wenn die Voraussetzungen für deren Gewährung nicht mehr vorliegen oder die Eltern oder die volljährige Schülerin oder der volljährige Schüler spätestens innerhalb der ersten Woche nach Unterrichtsbeginn eines neuen Schuljahres schriftlich beantragen, dass ein bewilligter Nachteilsausgleich nicht mehr gewährt wird. Abschnitt 3 Notenschutz § 4 Voraussetzungen für die Gewährung von Notenschutz (1) Schülerinnen und Schülern kann Notenschutz gewährt werden, 1. wenn eine Lese-Rechtschreib-Schwäche oder eine Beeinträchtigung in der körperlichen Motorik, beim Sprechen, in der Sinneswahrnehmung oder aufgrund eines autistischen Verhaltens vorliegt, 2. aufgrund derer eine Leistung oder Teilleistung auch unter Gewährung von Nachteilsausgleich nicht erbracht und auch nicht durch eine andere vergleichbare Leistung ersetzt werden kann, 3. die einheitliche Anwendung eines allgemeinen, an objektiven Leistungsanforderungen ausgerichteten Bewertungsmaßstabs zum Nachweis des jeweiligen Bildungsstands nicht erforderlich ist und 4. die Eltern oder die volljährige Schülerin oder der volljährige Schüler dies beantragen. (2) Der Notenschutz wird unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 gewährt, indem unter Beachtung der nachfolgenden Bestimmungen von einer Bewertung in einzelnen Fächern oder von abgrenzbaren fachlichen Anforderungen in allen Lernstanderhebungen, Prüfungen und Abschlussprüfungen abgesehen wird. Der Notenschutz erstreckt sich auf die Bewertung von einzelnen Leistungsnachweisen, die Bildung von Noten und sonstigen Leistungsbeurteilungen in Zeugnissen, die Bewertung der Leistungen in Abschlussprüfungen und die Festsetzung der Gesamtnote. (3) Bei körperlich-motorischer Beeinträchtigung ist es zulässig, in allen Fächern auf Prüfungsteile, die auf Grund der Beeinträchtigung nicht erbracht werden können, zu verzichten. (4) Bei einer Leseschwäche einer Schülerin oder eines Schülers der Primarstufe oder der Sekundarstufe I ist es zulässig, in den Fächern Deutsch, Deutsch als Zweitsprache und in Fremdsprachen auf die Bewertung des Vorlesens zu verzichten. (5) Bei einer Rechtschreibschwäche einer Schülerin oder eines Schülers der Primarstufe oder Sekundarstufe I ist es zulässig, 1. auf die Bewertung der Sprachrichtigkeit zu verzichten und 2. im Fach Deutsch und in den Fremdsprachen Unterrichtsbeiträge stärker zu gewichten. Bei einer Rechtschreibschwäche einer Schülerin oder eines Schülers der Sekundarstufe II ist es als Maßnahme des Notenschutzes zulässig, in den Fächern Deutsch und in den Fremdsprachen einschließlich der schriftlichen Abschluss- oder Abiturprüfung die Sprachrichtigkeit gegenüber der Bewertung in anderen Teilaspekten zurückhaltend zu gewichten. In den anderen Fächern kann auf Punktabzug wegen mangelhafter oder ungenügender Sprachrichtigkeit verzichtet werden. (6) Bei Mutismus und vergleichbarer Sprachbehinderung sowie Autismus mit kommunikativer Sprachstörung ist es zulässig, in allen Fächern auf mündliche Leistungen oder Prüfungsteile, die ein Sprechen voraussetzen, zu verzichten. (7) Bei Hörschädigung ist es zulässig, 1. auf mündliche Präsentationen zu verzichten oder diese geringer zu gewichten, 2. auf die Bewertung des Diktats sowie der Rechtschreibung und der Grammatik zu verzichten, soweit sie bei Leistungsnachweisen Bewertungsgegenstand sind, 3. bei Fremdsprachen auf Prüfungen zum Hörverstehen und zur Sprechfertigkeit zu verzichten und 4. in musischen Fächern auf Prüfungsteile, die ein Hören voraussetzen, zu verzichten. Absatz 6 bleibt unberührt. (8) Bei Blindheit oder sonstiger Sehschädigung ist es zulässig, in allen Fächern auf Prüfungsteile, die ein Sehen voraussetzen, zu verzichten. (9) Im Zeugnis ist die nicht erbrachte, nicht bewertete oder zurückhaltend gewichtete fachliche Leistung zu vermerken, selbst wenn der Notenschutz nur für Teile des Schuljahres gewährt worden ist oder in das Zeugnis Leistungen von Fächern aus dem vorherigen Schulhalbjahr oder aus früheren Jahrgangsstufen, für welche Notenschutz gewährt wurde, einbezogen werden. Ein Hinweis auf die Beeinträchtigung selbst unterbleibt. § 5 Voraussetzungen für das Vorliegen einer Lese-Rechtschreib-Schwäche (1) Eine Lese-Rechtschreib-Schwäche liegt vor, wenn bei mindestens durchschnittlicher Intelligenz mangelhafte oder ungenügende Leistungen im Lesen oder in der Rechtschreibung auftreten und neben dem partiellen Versagen im Lesen oder in der Rechtschreibung insgesamt durchschnittlich befriedigende Leistungen in den Fächern Deutsch, Mathematik, dem in der Primarstufe erteilten Sachunterricht und der in der Sekundarstufe unterrichteten 1. Fremdsprache ohne Berücksichtigung der Lese- und Rechtschreibleistungen erzielt werden. Die gesamte schulische Leistungsentwicklung soll bei der Prüfung, ob eine Lese-Rechtschreib-Schwäche vorliegt, berücksichtigt werden. (2) Das Vorliegen von mangelhaften oder ungenügenden Leistungen im Lesen oder in der Rechtschreibung wird vermutet, wenn im Fach Deutsch 1. die vorliegenden benoteten Leistungen im Lesen oder in der Rechtschreibung mangelhaft oder ungenügend sind, 2. die in Berichtszeugnissen bewerteten Leistungen der Schülerin oder des Schülers unsichere Kompetenzen im Lesen oder in der Rechtschreibung aufweisen und 3. das Bild der gezeigten Leistungen durch eine Testung bestätigt wird. (3) Ein partielles Versagen im Lesen oder in der Rechtschreibung wird bei Notenzeugnissen vermutet, wenn im Fach Deutsch ohne Berücksichtigung der Lese- und Rechtschreibleistungen befriedigende Leistungen erzielt werden, wobei im Falle des Vorliegens mehrerer Zeugnisnoten im Fach Deutsch, bei denen die Lese- und Rechtschreibleistungen nicht berücksichtigt wurden, ein partielles Versagen im Lesen oder in der Rechtschreibung auch dann vermutet wird, wenn ein Notendurchschnitt von mindestens 3,0 erzielt wird. (4) Das Vorliegen von insgesamt durchschnittlich befriedigenden Leistungen in den Fächern Deutsch, Mathematik, dem in der Primarstufe erteilten Sachunterricht und der in der Sekundarstufe unterrichteten 1. Fremdsprache wird bei Notenzeugnissen vermutet, wenn in sämtlichen Zeugnisnoten dieser Fächer insgesamt ein Notendurchschnitt von mindestens 3,0 erzielt wird. (5) Sofern die Leistungen einer Schülerin oder eines Schülers in einem Berichtszeugnis bewertet werden, kann die Klassenkonferenz Absatz 3 und 4 entsprechend anwenden, indem eine Prognose erstellt wird, wie die Leistungen der Schülerin oder des Schülers, auch in Berichtszeugnissen einer anderen Schule, voraussichtlich zu benoten gewesen wären. Frühere Schulen, welche die Schülerin oder der Schüler besucht hat, haben die Klassenkonferenz bei der Erstellung der Prognose auf deren Ersuchen hin zu unterstützen. (6) Die Vermutungen von Absatz 2 bis 4 haben Indizwirkung und können durch die Klassenkonferenz im Einzelfall widerlegt werden, sofern sich für die Schülerin oder den Schüler hieraus kein Nachteil ergibt. Soweit es bei den Vermutungen von Absatz 2 bis 4 auf Zeugnisnoten im Fach Deutsch oder im Fach der 1. Fremdsprache ankommt und in diesen die Lese- und Rechtschreibleistungen berücksichtigt wurden, hat die Klassenkonferenz eine Prognose zu erstellen, wie die Leistungen der Schülerin oder des Schülers ohne mangelhafte oder ungenügende Lese- und Rechtschreibleistungen voraussichtlich zu bewerten gewesen wären. Ist im Einzelfall eine Prognose gemäß Satz 2 oder gemäß Absatz 5 Satz 1 nicht erforderlich, kann die Klassenkonferenz allein auf der Grundlage der schulischen Entwicklung der Schülerin oder des Schülers feststellen, dass diese oder dieser im Lesen oder in der Rechtschreibung partiell versagt und insgesamt durchschnittlich befriedigende Leistungen in den Fächern Deutsch, Mathematik, dem in der Primarstufe erteilten Sachunterricht und der in der Sekundarstufe unterrichteten 1. Fremdsprache ohne Berücksichtigung der Lese- und Rechtschreibleistungen erzielt hat. Die Widerlegung der Vermutung gemäß Satz 1 oder das fehlende Erfordernis einer Prognose gemäß Satz 3 sind durch die Klassenkonferenz zu begründen. § 6 Verfahren zur Gewährung von Notenschutz wegen einer Lese-Rechtschreib-Schwäche (1) Die Klassenkonferenz entscheidet, ob Notenschutz wegen einer Lese-Rechtschreib-Schwäche gewährt wird, und legt Art und Umfang der den Notenschutz betreffenden Maßnahmen fest. Die Entscheidung wird durch Bescheid der Schule gegenüber den Eltern oder der volljährigen Schülerin oder dem volljährigen Schüler bekannt gemacht. (2) Soweit ein Antrag auf Gewährung von Notenschutz wegen einer Lese-Rechtschreib-Schwäche gestellt wird, entscheidet die Klassenkonferenz, ob die Schülerin oder der Schüler von einer dafür qualifizierten, schulischen Fachkraft LRS zu untersuchen ist. Auf die Durchführung einer Untersuchung kann verzichtet werden, wenn zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Gutachten vorliegt, welches von einer Psychologin oder einem Psychologen, die oder der ein Hochschulstudium mit einem Master oder einem vergleichbaren Abschluss abgeschlossen hat, oder von einer Fachärztin oder einem Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie erstellt worden ist; die Untersuchung der Rechtschreibung muss auf der Grundlage des vom für Bildung zuständigen Ministerium vorgesehenen Verfahrens zur Untersuchung der Rechtschreibung erfolgt sein. Kommt die Untersuchung der qualifizierten, schulischen Fachkraft LRS zu dem Ergebnis, dass eine Lese-Rechtschreib-Schwäche vorliegt, wird diese durch die Schule förmlich festgestellt; der Schülerin oder dem Schüler ist auf dieser Grundlage Notenschutz zu gewähren. In der Primarstufe und in der Sekundarstufe I bis einschließlich zur Jahrgangsstufe 8 wird Notenschutz auch vor Abschluss des Verfahrens zur förmlichen Feststellung einer Lese-Rechtschreib-Schwäche gewährt, wenn die Klassenkonferenz vermutet, dass bei der Schülerin oder dem Schüler eine Lese-Rechtschreib-Schwäche vorliegt. Kommt die Untersuchung der qualifizierten, schulischen Fachkraft LRS zu dem Ergebnis, dass keine Lese-Rechtschreib-Schwäche vorliegt, legt die Schule den Vorgang der zuständigen Schulaufsichtsbehörde zur Bestätigung der Entscheidung vor. Wenn das Schulamt bei Durchführung eines Widerspruchsverfahrens zu dem Ergebnis kommt, dass keine Lese-Rechtschreib-Schwäche vorliegt, legt dieses den Vorgang vor Erlass des Widerspruchsbescheides dem für Bildung zuständigen Ministerium zur Bestätigung der Entscheidung vor. (3) Wird es für wahrscheinlich gehalten, dass eine Lese-Rechtschreib-Schwäche bei einer Schülerin oder einem Schüler vorliegen könnte, sind den Eltern oder der volljährigen Schülerin oder dem volljährigen Schüler mit Verweis auf die Antragsmöglichkeit des § 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 die Gründe, welche diese Annahme stützen, schriftlich mitzuteilen. Den Eltern oder der volljährigen Schülerin oder dem volljährigen Schüler ist ein Beratungsgespräch anzubieten, an welchem auch die qualifizierte, schulische Fachkraft LRS teilnehmen soll. (4) Einer Schülerin oder einem Schüler der Sekundarstufe II, bei der oder dem in der Primarstufe oder in der Sekundarstufe I das Vorliegen einer Lese-Rechtschreib-Schwäche förmlich festgestellt und bei der oder dem der Notenschutz zwischenzeitlich nicht wieder aufgehoben worden ist, wird nur auf Antrag der Eltern oder der volljährigen Schülerin oder des volljährigen Schülers der Notenschutz in Form einer zurückhaltenden Gewichtung nach § 4 Absatz 5 Satz 2 gewährt. Die Schule hat die Eltern oder die volljährige Schülerin oder den volljährigen Schüler am Ende des letzten Schuljahrs der Sekundarstufe I über die Erforderlichkeit der Antragstellung nach Satz 1 schriftlich zu informieren. (5) Nach einem Schulwechsel gilt die Entscheidung, durch welche eine Lese-Rechtschreib-Schwäche förmlich festgestellt wurde, auch im Schulverhältnis mit der aufnehmenden Schule fort. (6) Die Schulleiterin oder der Schulleiter hebt den Notenschutz wegen einer Lese-Rechtschreib-Schwäche auf, wenn die Voraussetzungen für dessen Gewährung nicht mehr vorliegen und die Klassenkonferenz und die qualifizierte, schulische Fachkraft LRS zustimmt. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Notenschutz wegen einer Lese-Rechtschreib-Schwäche liegen nicht mehr vor, wenn die Schülerin oder der Schüler durchgehend über den Zeitraum von mehr als einem Schulhalbjahr mindestens mit der Note „ausreichend“ zu bewertende Rechtschreibleistungen erzielt hat. Der Notenschutz wird auch aufgehoben, wenn die Eltern oder die volljährige Schülerin oder der volljährige Schüler spätestens innerhalb der ersten Woche nach Unterrichtsbeginn eines neuen Schuljahres dies schriftlich beantragen. (7) Die Schulaufsichtsbehörde kann bestimmen, dass eine qualifizierte, schulische Fachkraft LRS ihre in dieser Verordnung vorgesehenen Aufgaben für mehrere oder sämtliche Schulen wahrnimmt. Die Schulaufsichtsbehörde einer allgemein bildenden Schule kann bestimmen, dass eine qualifizierte, schulische Fachkraft LRS einer allgemein bildenden Schule ihre in dieser Verordnung vorgesehenen Aufgaben für berufsbildende Schulen wahrnimmt. § 7 Verfahren zur Gewährung von Notenschutz wegen einer Beeinträchtigung in der körperlichen Motorik, beim Sprechen, in der Sinneswahrnehmung oder aufgrund eines autistischen Verhaltens (1) Die Schulleiterin oder der Schulleiter entscheidet, ob Notenschutz wegen einer Beeinträchtigung in der körperlichen Motorik, beim Sprechen, in der Sinneswahrnehmung oder aufgrund eines autistischen Verhaltens gewährt wird, und legt Art und Umfang der den Notenschutz betreffenden Maßnahmen fest. Die Entscheidung wird durch Bescheid der Schule gegenüber den Eltern oder der volljährigen Schülerin oder dem volljährigen Schüler bekannt gemacht. (2) Liegt bei der Schülerin oder dem Schüler ein sonderpädagogischer Förderbedarf vor, hat die Schulleiterin oder der Schulleiter bei der Entscheidung über Maßnahmen des Notenschutzes eine Stellungnahme des zuständigen Förderzentrums zu berücksichtigen. Soweit für die Gewährung von Notenschutz eine Änderung bei zentral gestellten Aufgaben in der Abschlussprüfung vorgesehen werden soll, ist die Zustimmung des für Bildung zuständigen Ministeriums erforderlich. (3) Soweit ein Antrag auf Gewährung von Notenschutz gestellt wird, sind die Voraussetzungen des § 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 durch die Eltern oder die volljährige Schülerin oder den volljährigen Schüler durch Vorlage eines fachärztlichen Zeugnisses über Art, Umfang und Dauer der Beeinträchtigung nachzuweisen. Abweichend von Satz 1 ist die Vorlage eines Schwerbehindertenausweises einschließlich der zugrundeliegenden Bescheide, von Bescheiden der Eingliederungshilfe, förderdiagnostischen Berichten oder sonderpädagogischen Gutachten ausreichend, wenn aus ihnen Art, Umfang und Dauer der Beeinträchtigung hervorgehen. (4) Nach einem Schulwechsel prüft die Schulleiterin oder der Schulleiter der aufnehmenden Schule, welche Formen des Notenschutzes der Schülerin oder dem Schüler zu gewähren sind, wenn die abgebende Schule der Schülerin oder dem Schüler bereits Notenschutz gewährt hat. Die Schulleiterin oder der Schulleiter darf die Entscheidung auch auf Grundlage von Bescheiden der abgebenden Schule treffen. (5) Die Schulleiterin oder der Schulleiter hebt den Notenschutz auf, wenn die Voraussetzungen für deren Gewährung nicht mehr vorliegen oder die Eltern oder die volljährige Schülerin oder der volljährige Schüler spätestens innerhalb der ersten Woche nach Unterrichtsbeginn eines neuen Schuljahres schriftlich beantragen, dass ein bewilligter Notenschutz nicht mehr gewährt wird. Übergangs- und Schlussbestimmungen § 8 Übergangsbestimmung für vor Inkrafttreten der Verordnung aufgrund von Verwaltungsvorschriften förmlich festgestellten Lese-Rechtschreib-Schwächen Soweit eine Lese-Rechtschreib-Schwäche vor Inkrafttreten dieser Verordnung aufgrund von Verwaltungsvorschriften, insbesondere aufgrund des Erlasses „Förderung von Schülerinnen und Schülern mit Lese-Rechtschreib-Schwächen (Legasthenie)“ vom 31. August 2018 (NBl. MBWK. Schl.-H. S. 437), förmlich festgestellt worden ist, gilt diese Entscheidung auch nach Inkrafttreten dieser Verordnung fort. Eine Aufhebung des Notenschutzes wegen einer Lese-Rechtscheib-Schwäche ist in diesem Fall nur zulässig, wenn die Aufhebung des Bescheides auch vor Inkrafttreten dieser Verordnung zulässig gewesen wäre oder wenn die Voraussetzungen von § 6 Absatz 6 Satz 3 erfüllt sind. § 9 Geltungsdauer Diese Verordnung tritt mit Ablauf des 31. Juli 2026 außer Kraft. Artikel 2 Änderung der Zeugnisverordnung Die Zeugnisverordnung vom 18. Juni 2018 (NBl. MBWK. Schl.-H. S. 200), zuletzt geändert durch Verordnung vom 14. Januar 2022 (NBl. MBWK. Schl.-H. S. 4), wird wie folgt geändert: 1. § 6 erhält folgende Fassung: „§ 6 Nachteilsausgleich und Notenschutz Für die Gewährung von Maßnahmen des Nachteilsausgleiches und des Notenschutzes gemäß § 16 Absatz 3 SchulG findet die Nachteilsausgleichs- und Notenschutzverordnung vom 16. Februar 2022 (NBl. MBWK. Schl.-H. S. 58) Anwendung.“ 2. § 7 Absatz 1 Nummer 2 erhält folgende Fassung: „2. Beschlüsse über einen gewährten Notenschutz gemäß § 4 Absatz 9 Nachteilsausgleichs- und Notenschutzverordnung.“ Artikel 3 Änderung der Landesverordnung über sonderpädagogische Förderung Die Landesverordnung über sonderpädagogische Förderung vom 8. Juni 2018 (NBl. MBWK. Schl.-H. S. 197), zuletzt geändert durch Verordnung vom 10. Mai 2021 (GVOBl. Schl.-H. S. 171), wird wie folgt geändert: 1. In § 1 Absatz 6 Satz 5 wird die Angabe „§ 24 Absatz 3 SchulG“ durch die Angabe „§ 24 Absatz 4 SchulG“ ersetzt. 2. In § 4 Absatz 5 Nummer 6 wird die Angabe „§ 24 Absatz 3 Satz 2 SchulG“ durch die Angabe „§ 24 Absatz 4 Satz 2 SchulG“ ersetzt. 3. § 7 Absatz 1 Satz 1 erhält folgende Fassung: „Die untere Schulaufsichtsbehörde legt den Förderschwerpunkt fest, entscheidet über Maßnahmen zur Förderung der Schülerin oder des Schülers, den notwendigen Nachteilsausgleich, die Zuweisung nach § 24 Absatz 4 Satz 1 SchulG und legt das zuständige Förderzentrum nach § 24 Absatz 4 Satz 2 SchulG fest.“ 4. In § 7 Absatz 3 wird die Angabe „§ 24 Absatz 3 oder 5 SchulG“ durch die Angabe „§ 24 Absatz 4 oder 6 SchulG“ ersetzt. 5. § 8 Absatz 3 Satz 4 erhält folgende Fassung: „Maßgeblich sind die nach den Lehrplan- und Fachanforderungen gemäß § 17 Absatz 7 GemVO zu erbringenden Leistungen der Schülerin oder des Schülers; dabei sind für die Zulässigkeit von Maßnahmen des Nachteilsausgleichs bei der Beschulung und in Abschlussprüfungen die §§ 2 und 3 der Nachteilsausgleichs- und Notenschutzverordnung vom 16. Februar 2022 (NBl. MBWK. Schl.-H. S. 58) zu beachten.“ 6. § 10 Absatz 5 Satz 2 erhält folgende Fassung: „Die Nachteilsausgleichs- und Notenschutzverordnung ist zu beachten.“ Artikel 4 Inkrafttreten Diese Verordnung tritt am Tag nach ihrer Verkündung in Kraft. Die vorstehende Verordnung wird hiermit ausgefertigt und ist zu verkünden. Kiel, 16. Februar 2022 Karin Prien Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur |