Dritte Welt |
Dritte Welt im Unterricht
RdErl. vom 22. Oktober 1990 (NBl. MBWJK Schl.-H. S. 362)
Vorbemerkungen
In meinem Erlaß vom 5. Mai 1989 (NBl. MBWJK Schl.-H. S.125) habe ich darauf hingewiesen,
daß Erziehung zum Frieden heißen müsse, Vorurteile zwischen gesellschaftlichen Gruppen,
im Zusammenleben zwischen Deutschen und Ausländern, zwischen Völkern und Rassen
abzubauen und sich der Unterdrückung von Menschen durch Menschen und der Zerstörung
ihrer Lebensgrundlagen zu widersetzen. Dabei habe ich ebenso deutlich herausgestrichen,
daß es bei der Erziehung zum Frieden darum gehen müsse, Solidarität mit denen zu üben,
die in der Welt durch Hunger, Krankheit und Gewalt bedroht seien.
Die Behandlung des Themas "Dritte Welt" im Unterricht ist in diesem Zusammenhang
zu sehen.
1. Das Verhältnis der Industrieländer und ihrer Bürgerinnen und Bürger zur Dritten
Welt- aufgrund seiner krisenhaften Entwicklung als "Nord-SüdKonflikt"
bezeichnet - ist ein zentrales Problem unserer Zeit. Während der Wohlstand in den
Industrieländern ansteigt, jedenfalls aber auf hohem Niveau bleibt, verschlechtert sich
die Lage in den meisten Entwicklungsländern. Die Phänomene sind uns bekannt: Krasse
soziale Gegensätze, Verarmung und Verelendung großer Bevölkerungsteile; Hungersnöte;
zahlreiche Staaten stehen vor dem Ruin und können nicht einmal mehr elementare Leistungen
für ihre Bürgerinnen und Bürger erbringen. Parallel zur wirtschaftlichen Macht
empfinden viele Menschen in den Industrieländern unbegründet eine kulturelle
Überlegenheit. Tatsächlich aber können beide Teile vieles voneinander lernen; die
Menschen der industrialisierten Welt und die der Dritten Welt bieten sich gegenseitig
viele Chancen. Schon unter Umweltgesichtspunkten kann kein Teil ohne den anderen leben.
Geringe Kenntnisse über die globalen Zusammenhänge und durch nationale Eigeninteressen
geprägte Sichtweisen führen häufig zu einem verzerrten Bild von Ländern der Dritten
Welt. Die UNESCO hat zuletzt im April 1983 dazu aufgerufen, in der Erziehung zur
Beseitigung von Vorurteilen und falschen Vorstellungen der Völker untereinander
beizutragen. Daher müssen auch Schulen diesen internationalen Problemen mehr Bedeutung
beimessen, damit junge Menschen Problembewußtsein entwickeln und Verantwortung
übernehmen sowie die Chancen der Zusammenarbeit stärker nutzen können, sei es auf
weltweiter oder regionaler Ebene, in der Nachbarschaft oder im eigenen Alltagshandeln.
2. Der Unterricht über die Probleme der Dritten Welt soll berücksichtigen:
- Die geografischen, ökologischen, ökonomischen, politischen, sozialen und
religiös-philosophischen Wirkungszusammenhänge in ihren historischen und gegenwärtigen
Bezügen;
- die Wechselbeziehungen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern im Hinblick auf ihre
gemeinsamen Interessen;
- die Veränderbarkeit ungerechter Zustände in den Nord-Süd-Beziehungen und innerhalb
der einzelnen Länder;
- die Bedingungen der Andersartigkeit anderer Gesellschaft und die Möglichkeit zur
Zurücknahme von Vorbehalten gegenüber ihrer Kultur und Leistungsfähigkeit;
- die Möglichkeiten für eine aktive Mitwirkung und Einflußnahme von Schülerinnen und
Schülern, Lehrerinnen und Lehrern sowie Eltern in diesem Prozeß.
In einigen Fächern wird aufgrund der bestehenden Lehrpläne schon seit Jahren das Thema
"Dritte Welt" im Unterricht von engagierten Lehrkräften vertieft behandelt.
Dieser Erlaß soll denjenigen, die sich schon länger mit der genannten Thematik
beschäftigen, Mut machen, auch in Zukunft engagiert weiterzuarbeiten. Anregung zur
Beschäftigung mit diesem Thema soll aber gerade auch den Kolleginnen und Kollegen gegeben
werden, die sich bisher im Unterricht mit den Problemen der Dritten Welt noch nicht oder
kaum beschäftigt haben.
Fragen der "Dritten Welt" sollen im Unterricht aller Klassenstufen in möglichst
vielen Fächern behandelt werden. Über den Unterricht hinaus sind schulische Aktivitäten
(z. B. Briefwechsel, Projektpartnerschaften) sinnvoll.
Reichhaltige Informations- und Unterrichtsmaterialien zur Behandlung des Themas
"Dritte Welt" werden von der Landeszentrale und der Bundeszentrale für
politische Bildung, den Bildstellen des Landes, der Kreise und der Städte, dem
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, den kirchlichen und freien
Hilfswerken sowie Einrichtungen von DritteWelt-Gruppen bereitgehalten.
Weitere Hinweise zu Materialien und zur unterrichtlichen Behandlung sind erhältlich über
die Fachberatung des IPTS.
Darüber hinaus bieten das IFTS sowie kirchliche Träger Fortbildungsveranstaltungen zu
dieser Thematik an.
Eine Handreichung des IPTS zur Behandlung des Themas "Dritte Welt" im Unterricht
ist in Vorbereitung.