Zum Hauptdokument : Richtlinie "Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung in der Landesverwaltung Schleswig-Holstein" (Korruptionsrichtlinie Schl.-H.)


Zusammenarbeit zwischen den Verwaltungs- und
Strafverfolgungsbehörden bei der Bekämpfung der Korruption

Gl.-Nr.: 4500.4
Fundstelle: Amtsbl. Schl.-H. S. 648


Erlaß der Landesregierung vom 10. September 1996 - II 320/4000 - 214b SH -



INHALTSÜBERSICHT:


Abschnitt I



1.

Allgemeines

2.

Strafrechtliche Tatbestände

2.1

Vorteilsannahme, Bestechlichkeit

2.2

Begleittatbestände

3.

Verfolgung von Straftaten

4.

Zusammenarbeit zwischen Verwaltungs- und Strafverfolgungsbehörden

4.1

Unterrichtung der Strafverfolgungsbehörde

4.2

Unterstützung der Strafverfolgungsbehörde

4.3

Eigene Ermittlungen der Verwaltungsbehörde

4.4

Zusammenwirken mit dem Landesrechnungshof

5.

Regelmäßige Dienstbesprechungen

5.1

Dienstbesprechungen

5.2

Teilnehmerkreis

5.3

Fortbildungsveranstaltungen

6.

Zentrale Stelle Korruption

7.

Verwaltungsbehörden





Abschnitt II



Inkrafttreten






Abschnitt I

1.
Die Korruption erschüttert in besonderem Maße das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität der öffentlichen Verwaltung. Unter Korruption werden diejenigen Verhaltensweisen verstanden, bei denen Amtsträgerinnen oder Amtsträger ihre Position oder die ihnen übertragenen Befugnisse dazu ausnutzen, sich oder Dritten materielle oder immaterielle Vorteile zu verschaffen.

Die gezielte Bekämpfung der Korruption ist nicht allein Aufgabe der Justiz und der Strafverfolgungsorgane, sondern Aufgabe der öffentlichen Verwaltung insgesamt. Deshalb hat die Landesregierung die nachfolgenden Regelungen beschlossen.

2.
2.1
Vorteilsannahme, Bestechlichkeit
Das Strafrecht kennt keinen eigenständigen Korruptionstatsbestand, sondern sanktioniert das mit ihr verbundene Unrecht in verschiedenen Straftatbeständen.

Bedienstete, die für eine im Zusammenhang mit dem Amt stehende, nicht pflichtwidrige Handlung oder Unterlassung einen Vorteil als Gegenleistung annehmen, fordern oder sich versprechen lassen, machen sich strafrechtlich der Vorteilsannahme schuldig, die nach § 331 des Strafgesetzbuches mit Geldstrafe oder mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bedroht ist. Enthält die Handlung oder Unterlassung, für die ein Vorteil als Gegenleistung angenommen, gefordert oder versprochen wird, eine Verletzung der Dienstpflichten, so ist der Tatbestand der Bestechlichkeit gegeben, für den § 332 des Strafgesetzbuches eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren androht; der Versuch ist strafbar.

Die mit diesen Straftatbeständen eng zusammenhängenden Straftatbestände der Vorteilsgewährung und Bestechung sind in §§ 333, 334 des Strafgesetzbuches unter Strafe gestellt.

2.2
Begleittatbestände
Die in Nummer 2.1 genannten Delikte werden oft von weiteren Straftaten begleitet, von denen die folgenden relevant sind:
·
Verwertung fremder Geheimnisse ( § 204 des Strafgesetzbuches),
·
Unterschlagung ( § 246 des Strafgesetzbuches),
·
Betrug ( § 263 des Strafgesetzbuches),
·
Subventionsbetrug ( § 264 des Strafgesetzbuches),
·
Untreue ( § 266 des Strafgesetzbuches),
·
Strafvereitelung im Amt ( § 258a des Strafgesetzbuches),
·
Urkundenfälschung ( § 267 des Strafgesetzbuches),
·
Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen
·
Geheimhaltungspflicht ( § 353b des Strafgesetzbuches),
·
Verleitung eines Untergebenen zu einer Straftat ( § 357 des Strafgesetzbuches),
·
Bestechung von Angestellten ( § 12 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb),
·
Verrat von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen ( § 17 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb).

3.
Zu einer wirkungsvollen Bekämpfung der Korruption bedarf die Staatsanwaltschaft der Unterstützung durch die Verwaltungsbehörden. Die Staatsanwaltschaft ist grundsätzlich verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen ( § 152 Abs. 2 der Strafprozeßordnung). Bloße Vermutungen lösen dagegen eine Verfolgungspflicht nicht aus. Sobald die Staatsanwaltschaft durch eine Anzeige oder auf anderem Weg von dem Verdacht einer Straftat erfährt, hat sie den Sachverhalt zu erforschen ( § 160 Abs. 1 der Strafprozeßordnung). Sie kann von allen Behörden Auskunft verlangen und Ermittlungen jeder Art entweder selbst vornehmen oder durch die Behörden und Beamten des Polizeidienstes vornehmen lassen ( § 161 S. 1 der Strafprozeßordnung). Letztere haben selbständig Straftaten zu erforschen und alle keinen Aufschub gestattenden Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten ( § 163 Abs. 1 der Strafprozeßordnung).

4.
4.1
Unterrichtung der Strafverfolgungsbehörde
Verwaltungs- und Strafverfolgungsbehörden sind auf gegenseitige Mithilfe angewiesen. Ergeben sich für die Verwaltungsbehörde tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat nach Nummer 2, hat sie die Strafverfolgungsbehörde unverzüglich zu unterrichten. In den Fällen der Nummer 2.2 bezieht sich die Unterrichtungsverpflichtung lediglich auf solche Straftaten, die Strafverfahren nach Nummer 2.1 begleiten. Die Staatsanwaltschaft beteiligt ihrerseits die Verwaltungsbehörde nicht nur in den Fällen einer Einstellung eines Verfahrens (Nummer 90 Abs. 1 und Nummer 93 Abs. 1 der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren vom 1. Januar 1977 [Allgemeine Verfügung des Justizministers vom 9. Dezember 1976 - V/310/4208 - 101 - <SchlHA 1977 S. 20>, zuletzt geändert durch Allgemeine Verfügung vom 26. September 1994 -V 320/4208 - 194 <SchlHA S. 281>]), sondern gibt auch sonst, insbesondere bei der Auslegung von Gesetzen, Gelegenheit zur Stellungnahme; zur Vereinfachung können Ablichtungen aus den Ermittlungsakten beigefügt werden.

4.2
Unterstützung der Strafverfolgungsbehörde
Die Verwaltungsbehörden haben die Strafverfolgungsbehörden auf deren Ersuchen hin in ihrer Ermittlungsarbeit, insbesondere bei der Vorbereitung von Durchsuchungen und Beschlagnahmen sowie der Auswertung des sichergestellten Materials, zu unterstützen.

4.3
Eigene Ermittlungen der Verwaltungsbehörde
Nach Unterrichtung der Strafverfolgungsbehörde hat die Verwaltungsbehörde alles zu unterlassen, was die Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörde gefährden könnte, insbesondere führt sie keine (weiteren) Ermittlungen zur Aufklärung des Sachverhalts in eigener Zuständigkeit durch. Hiervon unberührt bleiben Maßnahmen aufgrund gesetzlicher oder arbeitsrechtlicher Bestimmungen sowie präventive Maßnahmen, wie zum Beispiel die Versetzung betroffener Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter.

4.4
Zusammenwirken mit dem Landesrechnungshof
Der Landesrechnungshof, der aufgrund seiner Stellung als selbständige oberste Landesbehörde durch diesen Erlaß nicht gebunden werden kann, hat im Hinblick auf § 96 Abs. 1 der Landeshaushaltsordnung zum Zusammenwirken mit der Staatsanwaltschaft folgende Erklärung abgegeben:

"Im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen wird der Landesrechnungshof wie bisher mit der Staatsanwaltschaft zusammenarbeiten. Soweit die Staatsanwaltschaft erforderliche Informationen nicht unmittelbar von der geprüften Stelle erlangen kann, wird der Landesrechnungshof im Einzelfall die Staatsanwaltschaft über einschlägige Prüfungsergebnisse unterrichten. Unabhängig hiervon wird der Landesrechnungshof die Staatsanwaltschaft aufgrund von Prüfungserfahrungen im Rahmen seiner Arbeitskapazität sachkundig beraten."

5.
5.1
Dienstbesprechungen
Zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Verwaltungsbehörden und den Strafverfolgungsbehörden sind regelmäßig Dienstbesprechungen durchzuführen. Sie sollen einem umfassenden Erfahrungsaustausch, der Auswertung bereits abgeschlossener Strafverfahren und der Erörterung sonstiger Fragen mit Bezug zur Korruption dienen. Die Dienstbesprechungen führt die Generalstaatsanwältin oder der Generalstaatsanwalt mindestens einmal im Jahr durch.

5.2
Teilnehmerkreis
Zu den Dienstbesprechungen werden Vertreterinnen und Vertreter der Staatsanwaltschaften, der Polizei, der Ministerien, der kommunalen Spitzenverbände sowie des Landesrechnungshofs eingeladen. Darüberhinaus soll die Generalstaatsanwältin oder der Generalstaatsanwalt in geeigneten Fällen weitere Behördenvertreter hinzubitten. Bei Bestehen eines berechtigten Interesses kann jede Verwaltungsbehörde verlangen, an den Dienstbesprechungen teilzunehmen.

5.3
Fortbildungsveranstaltungen
Zu Fortbildungsveranstaltungen mit Bezug zur Korruptionsbekämpfung werden gegenseitige Einladungen ausgesprochen.

6.
6.1
Bei der Generalstaatsanwältin oder dem Generalstaatsanwalt wird mit Wirkung vom 1. Januar 1997 eine Zentrale Stelle Korruption eingerichtet. Die Anschrift der Zentralen Stelle Korruption lautet:
"Generalstaatsanwältin/Generalstaatsanwalt
- Zentrale Stelle Korruption -
Gottorfstr. 2
24837 Schleswig".

Sie ist telefonisch unter der Rufnummer 04621/86-0 und per Telefax unter der Nummer 04621/86-1341 zu erreichen.

6.2
Die Zentrale Stelle Korruption ist Ansprechstelle für alle Verwaltungsbehörden, die mit der Verfolgung oder Aufdeckung korruptiver Verhaltensweisen befaßt sind. Ihr obliegen darüberhinaus folgende Aufgaben:
·
Beratung und Auskunft,
·
Fortbildung und Schulung unter besonderer Berücksichtigung der Erkennung korruptiver Strukturen und Verhaltensweisen,
·
zentrale Erfassung der bei den schleswig-holsteinischen Staatsanwaltschaften geführten Verfahren mit Bezug zur Korruptionskriminalität,
·
Berichterstattung über die Verfolgung von Korruption.

7.
7.1
Verwaltungsbehörden im Sinne dieses Erlasses sind alle Landesbehörden mit Ausnahme des Landesrechnungshofs und des Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtages sowie alle kommunalen Gebietskörperschaften, soweit ihnen Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung übertragen sind.

7.2
Im übrigen wird den kommunalen Gebietskörperschaften sowie den sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts empfohlen, entsprechend den Bestimmungen dieses Erlasses zu verfahren, und zwar auch soweit Unternehmen des Privatrechts, an denen eine Beteiligung besteht, betroffen sind.


Abschnitt II

Dieser Erlaß tritt am 1. November 1996 in Kraft.