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Niederdeutsch in der Schule |
Niederdeutsch in der Schule - Deregulationserlass |
Niederdeutsch in der
Schule
Runderlass des Ministeriums vom 18. Mai 2019 — III 30 (NBI.MBWK.Schl.-H. 2019 S. 185) Ziele und Aufgaben der Vermittlung der niederdeutschen Sprache und Literatur an den allgemein bildenden und berufsbildenden Schulen Schleswig-Holstein zeichnet sich durch die Vielfalt und Vitalität seiner Regional- und Minderheitensprachen aus. Neben der Regionalsprache Niederdeutsch werden die Minderheitensprachen Dänisch, Friesisch, Romanes und Südjütisch gesprochen. Das Niederdeutsche hat für Schleswig-Holstein kultur-und identitätsprägende Bedeutung. Der besondere Stellenwert, der dem Niederdeutschen im Land zukommt, tritt auch in seiner Verankerung in der Landesverfassung (Art. 13 Abs. 2) hervor. Dieser zentralen Stellung muss die schulische Bildung Rechnung tragen. Gemäß § 4 Abs. 6 Satz 3 und 4 Schulgesetz fördert die Schule das Verständnis für die Bedeutung der Heimat, den Beitrag der nationalen Minderheiten und Volksgruppen zur kulturellen Vielfalt des Landes sowie den Respekt vor der Minderheit der Sinti und Roma und pflegt die niederdeutsche Sprache. Darüber hinaus ergibt sich durch die Aufnahme des Niederdeutschen in die Europäische Charta für Regional- und Minderheitensprachen die Verpflichtung, die Sprache in besonderer Weise zu fördern. In Anlehnung an den ,,Handlungsplan Sprachenpolitik" des Landes Schleswig-Holstein ist ein geschlossener Bildungsgang Niederdeutsch ein nachhaltiges Verfahren zum Erwerb der Regionalsprache. Die Schulen nehmen für dieses Ziel als Bildungseinrichtungen zwischen der vorschulischen Bildung und der Hochschule eine zentrale Position ein. Das bereits existierende Modellschulangebot soll mit dem Ziel eines systematischen Spracherwerbs im Niederdeutschunterricht ausgebaut werden. Ziel ist es, im Zuge eines sukzessiv anwachsenden Systems Niederdeutsch während des gesamten Bildungsgangs bis hin zur Hochschulreife zu unterrichten. An allen Schulen in Schleswig-Holstein muss das Niederdeutsche ein durchgängiges Unterrichtsprinzip in allen Klassen sein. Hierfür tragen Schulaufsichtsbehörden und Schulleitungen eine besondere Verantwortung. Bestehende und geplante Unterrichtsstrukturen zum niederdeutschen Spracherwerb an Schulen, die nicht der Gruppe der Modelischulen zugerechnet werden, seilen gefestigt und weiterentwickelt werden. Insbesondere in Arbeitsgemeinschaften oder im Rahmen des Ganztagsangebots spielt der Niederdeutschunterricht eine wichtige Rolle. Diese Angebote sollen, wo sie bereits bestehen, gefördert, wo sie noch nicht bestehen, ermöglicht werden. In diesem Zusam-menhang ergeben sich Kooperationsmöglichkeiten mit örtlichen Vereinen, niederdeutschen Theatergruppen und als Sprachpaten eingesetzten Einzelpersonen. Ein Immersionsunterricht auf Niederdeutsch ist ein effektiver Weg der Sprachvermittlung und -förderung sowie ein probates Mittel für den Spracherwerb. In der Primarstufe und in der Sekundarstufe 1 und II sowie in der beruflichen Bildung sind hierfür grundsätzlich alle Fächer bz. Wahlpflichtfächer neben dem Deutsch-unterricht geeignet. Niederdeutsch im Unterricht: Der Niederdeutschunterricht soll - das Interesse an der Sprache wecken und fördern, - vorhandene Kenntnisse reaktivieren und erweitern, - die Lesefähigkeit entwickeln und Kenntnisse der niederdeutschen Literatur vermitteln, - niederdeutsche Kommunikation fördern und das freie Sprechen anstreben, - die sprachliche Gestaltungsfähigkeit durch Auf-schreiben des Gesprochenen voranbringen und auf diese Weise niederdeutsche schriftsprachliche Kompetenz erzeugen, - die Spezifik des Niederdeutschen und seine Bedeu-tung für die historische und kulturelle Entwicklung Schleswig-Holsteins herausstellen und - die Teilhabe an niederdeutschen Kulturangeboten und -aktivitäten fördern. Der Unterricht für den Erwerb sprech- und schreibsprachlicher Fähigkeiten im Niederdeutschen orientiert sich an den Vorgaben der Kompetenzniveaus des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen. Niederdeutsch in den Schulen Der Niederdeutschunterricht kann Jahrgangs-, fächer-und schulartübergreifend organisiert werden. Die Schulleitung kann eine Lehrkraft als Niederdeutsch-beauftragten benennen, ansonsten nimmt sie diese Funktion selbst wahr. Niederdeutschbeauftragte der Schulen arbeiten eng mit Kreisfachberatern Niederdeutsch des jeweiligen Kreises und der Landesfachberatung Niederdeutsch zusammen. Die Niederdeutschen Abteilungen an der Europa-Universität Flensburg und an der Christian-Albrechts-Uni-versität zu Kiel, das Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig-Holstein (105H), das Länderzentrum für Niederdeutsch (LZN) sowie die Niederdeutsch-Zentren in Leck und Mölln sind als Institutionen der Lehrerbildung und der Lehrerfortbildung Ansprechpartner für alle beteiligten Akteure, wie die Niederdeutsch-beauftragten der Schulen, die Kreisfachberater sowie die Landesfachberatung, und wirken selbst aktiv an der Umsetzung des Niederdeutsch-Erlasses mit. Der Koordination für Regional- und Minderheitenspra-chen in Schleswig-Holstein am IQSH obliegt die Organisation des Austausches zwischen den verschiedenen beteiligten Institutionen und Akteuren, die zusammen das Netzwerk Niederdeutsch in der Schule in Schleswig-Holstein bilden. Dieser Erlass tritt am Tage nach seiner Veröffentlichung in Kraft. Kiel, 18. Mai 2019 Karin Prien Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur |
Niederdeutsch in der Schule
RdErl. vom 7. Januar 1992 (NBI. MBWJK. Schl.-H. S. 19)
Viele Menschen in Schleswig-Holstein sprechen oder verstehen Niederdeutsch. Das
Niederdeutsche, das umgangssprachlich als Plattdeutsch bezeichnet wird, ist ein
wichtiger Bestandteil der sprachlichen Lebenswelt vieler Schülerinnen und
Schüler. Vor allem aber ist es Teil der Kultur des norddeutschen Raums.
In den letzten Jahren ist die Überlieferung des Niederdeutschen als lebendige
Sprache des Alltags in der Region akut gefährdet. Der Rückgang der
niederdeutschen Sprache und der Verlust der mit dem Niederdeutschen verbundenen
Kultur in Literatur Geschichte, Brauchtum und Umgangsformen betrifft alle
Menschen in Schleswig-Holstein, gleich, ob sie niederdeutsch sprechen und
verstehen können oder nicht. Damit ginge Schülerinnen und Schülern eine
Möglichkeit verloren, sich in ihrer schleswig-holsteinischen Heimat zu
orientieren.
Aus dieser Situation erwächst der Schule eine erhöhte Verantwortung für
dieses Kulturgut. Verbindliche Aufgabe der Schule ist es daher, in den dafür
geeigneten Fächern Kenntnisse über niederdeutsche Literatur und Sprache zu
vermitteln und die durch das Niederdeutsche geprägten Lebensbereiche in den
Unterricht einzubeziehen.
Daneben soll die Schule die Fähigkeit, niederdeutsch zu sprechen, fördern und
zum Gebrauch der niederdeutschen Sprache ermuntern: Hierfür bieten sich
insbesondere Arbeitsgemeinschaften an.
Für eine Beschäftigung mit dem Niederdeutschen im Unterricht spricht
weiterhin: Kenntnisse in der niederdeutschen Sprache erweitern das
Sprachvermögen. Gerade im Vergleich zum Hochdeutschen kann sich die Fähigkeit
entwickeln, einfache, überschaubare Sätze zu bilden und anschauliche und
gegenständliche Wörter zu wählen. Kenntnisse des Niederdeutschen erleichtern
den Zugang zu anderen Sprachen, wie z. B. dem Englischen. Sie vertiefen das
Verständnis für die heimatliche Geschichte und Kultur.
Niederdeutsch kann und soll nicht als eigenes Fach oder mit einem Stundenanteil
in der Stundentafel ausgewiesen werden. Die durch das Niederdeutsche geprägte
Kultur muß durchgängiges Unterrichtsprinzip in schleswig-holsteinischen
Schulen werden. Daneben besteht auch die Möglichkeit, Arbeitsgemeinschaften
einzurichten.
Eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Lehrerinnen und Lehrern aus Schulen und
Hochschulen und aus Personen, die sich in besonderer Weise in Schleswig-Holstein
für die Pflege und Erhaltung der niederdeutschen Sprache und des
niederdeutschen Kulturguts einsetzen, soll dafür sowie für die Lehrerbildung
und Lehrerfortbildung Vorschläge erarbeiten.
Für die Beschäftigung mit dem Niederdeutschen bieten sich in der Schule
bereits jetzt vielfältige Möglichkeiten. Besonders im Fach Deutsch soll das
Niederdeutsche in den Unterricht einbezogen werden. Je nach Schulform und
Altersstufe sind klassische und moderne niederdeutsche Texte zu lesen, und die
Eigenart dieser Literatur ist zu erarbeiten. Hierbei sollte heitere und ernste
Literatur gleichermaßen berücksichtigt werden. Ein Vergleich der verschiedenen
landschaftlichen Ausprägungen des Niederdeutschen, seiner vielfältigen
Unterschiede in Wortwahl und Klang kann Schülerinnen und Schüler hinführen
zur Toleranz gegenüber andersdenkenden und anderssprechenden Menschen. Bei der
Behandlung bestimmter heimatkundlicher und regionalgeschichtlicher Themen im
Heimat- und Sachunterricht wie in den Fächern Erdkunde und Geschichte bietet
sich dafür das Niederdeutsche in Verbindung mit verschiedenen
Unterrichtsgegenständen an. Auch in anderen Fächern kann Niederdeutsch
zwanglos in den Unterricht einbezogen werden. So können z. B. im
Musikunterricht niederdeutsche Lieder, Singspiele und Tänze den Unterricht
beleben.
In Arbeitsgemeinschaften können Schülerinnen und Schüler niederdeutsche
Spielszenen und Spiele einüben und aufführen, Hörspiele gestalten und
zeitgemäße, wohnortnahe Themen in niederdeutscher Sprache aufbereiten.
Veranstaltungen der Schule sollten durch niederdeutsche Beiträge bereichert
werden. Die sprachliche Umwelt selbst kann Unterrichtsgegenstand sein, z. B. in
der Fragestellung "Wer spricht wann mit wem worüber plattdeutsch?"
Ebenso können niederdeutsche Sendungen in Funk und Fernsehen sowie Beiträge in
Zeitungen untersucht werden.
Den Schulen wird ausdrücklich empfohlen, mit Schülergruppen an
außerschulischen Veranstaltungen, bei denen das Niederdeutsche gepflegt wird
(z. B. Lesewettbewerbe, Heimattage, Nachbarschaftsfeste, Theateraufführungen)
teilzunehmen und sie mit eigenen Beiträgen auszugestalten. Es ist ebenfalls
förderlich, niederdeutsch sprechende Personen aus dem öffentlichen Leben in
die Schule zu holen.
In die Bücherei einer jeden Schule gehört eine Auswahl geeigneter
niederdeutscher Literatur. Jede Schule sollte mit einigen Klassensätzen
jugendgerechter Lesestoffe ausgerüstet sein. Die Verwendung von Tonträgern ist
für die Vermittlung des Sprachklanges besonders hilfreich. Das IPTS wird
entsprechende Empfehlungen für Literatur und Tonmaterialien veröffentlichen.