Zusammenarbeit von Schule, Polizei, Jugendhilfe

 

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Landeshauptstadt Kiel
Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig – Holstein
Innenministerium des Landes Schleswig - Holstein

Rahmenvereinbarung zur Zusammenarbeit von Schule, Polizei, Jugendarbeit und Allgemeinem Sozialdienst zur Prävention von Delinquenz von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Kiel

1 Einleitung
Die folgende Vereinbarung ist Organisationsrahmen für die beteiligten Institutionen (Polizeiinspektion Kiel, Schulen in der Landeshauptstadt Kiel, Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit, Allgemeiner Sozialdienst im Amt für Soziale Dienste) zur Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Prävention der Delinquenz von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen.
Sie setzt einen Rahmen für
• gemeinsame Einschätzungen im Sozialraum über die Entwicklung der Delinquenz von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen und Möglichkeiten der Intervention,
• den Austausch von Erkenntnissen zur Vermeidung von Delinquenz,
• abgestimmte Maßnahmen zur Verringerung der Deliquenzhäufigkeit.
Alle beteiligten Institutionen füllen diesen Handlungsrahmen entsprechend ihren Möglichkeiten aus.

2 Empfehlungen zur Prävention
2.1 Sicherheitspartnerschaften
Zwischen den Polizeidienststellen der Polizeiinspektion Kiel, den Kieler Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit sollen Sicherheitspartnerschaften angeregt werden, die eine Zusammenarbeit nach den tatsächlichen Erfordernissen ermöglichen. Hierbei wird angestrebt, die vorbeugende Arbeit der Polizei mit den Präventionsansätzen in der pädagogischen Arbeit zu verbinden. Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene sollen erleben können, dass Kriminalprävention eine gemeinsame Aufgabe ist, die vorrangig ihrem persönlichen Schutz dient.
Die Ausgestaltung der Präventionsarbeit ist Aufgabe der beteiligten Institutionen und muss sich an den tatsächlichen Notwendigkeiten orientieren: Die Koordination aller sozialräumlichen Präventionsmaßnahmen soll in den Stadtteilkonferenzen durch das Amt für Soziale Dienste erfolgen.

2.1.1 Die Polizei als Teil gesellschaftlichen Lebens
Die Polizei versteht ihre Aufgabe nicht ausschließlich als repressive Aufgabe. Vielmehr will sie Institutionen, die mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen arbeiten, in deren Arbeit unterstützen sowie die gesellschaftlichen Regeln und Normen eines konfliktarmen Zusammenlebens vermitteln.
Hierbei wird angestrebt, dass dieser Ansatz der polizeilichen Arbeit Bestandteil der Konzeption der pädagogischen Arbeit in Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit ist und somit die institutionellen Grenzen bei der Normvermittlung weitestgehend überwunden werden.
Dies kann bedeuten, dass Schulen und Einrichtungen im Rahmen des täglichen Unterrichtes bzw. im Rahmen der täglichen Arbeit die Polizei einladen, um z.B. Projekte gemeinsam durchzuführen. Dabei soll das Bewusstsein dafür geweckt und geschärft werden, dass die Polizei als Trägerin staatlichen Vollzugs vor allem auch Partnerin und Helferin im Entwicklungsprozess junger Menschen ist.
Konkrete Ideen hierfür sollen in einer Ideenbörse gesammelt und zur Verfügung gestellt werden.

2.1.2 Kooperation zwischen Pädagoginnen, Pädagogen und Polizei im Stadtteil
Grundlage für Kooperation zwischen Pädagoginnen, Pädagogen, Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten ist das persönliche Kennenlernen der Möglichkeiten und Grenzen des jeweils anderen Arbeitsgebietes. Wenn erreicht wird, dass sowohl Polizeibeamte die Arbeit der pädagogischen Institutionen einschätzen können als auch Pädagoginnen und Pädagogen eine Vorstellung über die polizeiliche Arbeit gewinnen, werden Vorbehalte überwunden und eine Zusammenarbeit verbessert. Es ist wünschenswert, dass bereits bewährte Instrumente der gegenseitigen Hospitation auch für die Zusammenarbeit von Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit geöffnet werden.
Alle beteiligten Institutionen sollen für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine solche Hospitation ermöglichen.

2.1.3 Respekt und Akzeptanz gegenüber dem jeweils anderen Arbeitsfeld
Bei der Zusammenarbeit werden die unterschiedlichen Aufgabenstellungen der beteiligten Institutionen und deren Selbständigkeit beachtet. Verantwortlichkeiten werden sinnvoll zusammengeführt.
Durch eine verstärkte Kooperation können Respekt und Akzeptanz gegenüber der jeweils unterschiedlichen Aufgabenstellung vermittelt werden. Dadurch entsteht eine höhere Sensibilität für die Lebenslage von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen sowie ein besseres Verständnis möglicher Interventionen.

2.2 Prävention als regelmäßiges Thema in der Kommunikation der einzelnen Institutionen
Prävention gelingt, wenn sie Gegenstand pädagogischer Prozesse in Schulen und
Einrichtungen ist. Polizeiliche Arbeit kann die Schulen und Einrichtungen hierbei unterstützen. Die Polizei informiert die Schulen und pädagogischen Einrichtungen über Entwicklungen und Tendenzen, die sich aus der polizeilichen Arbeit ergeben, damit sie dort in die Arbeit einbezogen werden können.

2.2.1 Einbeziehung und Beteiligung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Präventionsarbeit
Jede beteiligte Institution entscheidet über geeignete Rahmenbedingungen in eigener Verantwortung.

2.2.2 Beteiligung der Eltern- und Schülervertretungen
Die Eltern- und Schülervertretungen werden in alle Überlegungen einbezogen und aufgefordert, sich an der Präventionsarbeit zu beteiligen.

2.3 Ideenbörse
Eine Ideenbörse wird in Form eines Infopools federführend beim Jugendamt (Jugendschutz bzw. Jugendhilfeplanung) eingerichtet. In diesen Pool fließen Erkenntnisse, Anregungen und Vorschläge ein. Diese Infos sind allen Kooperationspartnern zugänglich.

2.4 Grenzen der Kooperation in der Präventionsarbeit
Die Zusammenarbeit erfährt dort eine Grenze, wo sich pädagogische Prozesse und das Legalitätsprinzip der Polizei überschneiden Alle beteiligten Pädagoginnen, Pädagogen, Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte müssen beachten, dass zu schützende pädagogische Prozesse und der Zwang zur Strafverfolgung der Polizei nicht miteinander in Konflikt geraten.

2.5 Austausch auf institutioneller Ebene
Ein weiterer wesentlicher Bestandteil von Sicherheitspartnerschaften ist der regelmäßige Austausch über die Entwicklung von Delinquenz von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen sowie das Zusammentragen unterschiedlicher Sichtweisen. So können pädagogische Einschätzungen über die aktuelle Situation im Stadtteil der Polizei helfen, Kriminalitätsschwerpunkte besser einzuschätzen und adäquat zu reagieren. Umgekehrt können pädagogische Einrichtungen von den Feststellungen der Polizei profitieren und Kriminalprävention in die Alltagsarbeit ihrer Institution aktuell und an konkreten Vorkommnissen orientieren. Dabei sollen bestehende Strukturen (Stadtteilkonferenzen, Runde Tische, Räte für Kriminalitätsverhütung) genutzt werden.

2.6 Aufgabenbeschreibung
Gemeinsame Aufgabe kann sein:
a) Zusammentragen der unterschiedlichen Erkenntnisse über die Delinquenz der Kinder, der Jugendlichen und der jungen Erwachsenen (z.B. das Erkennen von Delinquenz aus Gruppen von Kindern und Jugendlichen, Erkennen von sozialen Brennpunkten, Erkennen von Angsträumen für Kinder und Jugendliche, jugendgefährdende Orte).
b) Entwicklung von Erklärungsansätzen (z. B als Erscheinung von Vernachlässigung, gruppendynamische Zusammenhänge).
c) Entwicklung von gemeinsam getragenen und verbindlichen Interventionsstrategien (z. B. Aufnahme von gefährdeten Gruppen in Jugendtreffs, einzelfallbezogene Intervention und Beratung durch den ASD, polizeiliche Präsenz an informellen Treffpunkten von Kindern und Jugendlichen, Aufarbeitung im Unterricht, Schaffung von sozialen Trainingskursen).
d) Einbindung anderer Stellen zur Verringerung und Vermeidung von Angsträumen durch städtebauliche Maßnahmen (z. B. Tiefbauamt, Grünflächenamt, Gewerbeaufsicht).
e) Auswertung der Interventionsansätze und ggf. Verabredungen über Veränderungen.
Durch diese Konkretisierungen wird deutlich, dass Sicherheitspartnerschaften nicht dazu dienen sollen, dass Schulen und Jugendhilfeeinrichtungen als Ermittlungshelfer und verlängerter Arm der Polizei auftreten.

2.7 Informationsfluss sicherstellen
Durch eine systematische und organisierte Zusammenarbeit werden Vorbehalte abgebaut. Hierdurch wird die Möglichkeit verbessert, auch außerhalb regelmäßiger Treffen Informationen auszutauschen und Handlungsstrategien zu entwickeln.

3 Dokumentation
Die Ergebnisse der Arbeit werden unter der Federführung des ASD dokumentiert und finden Eingang in die Berichterstattung über die Abwicklung der Delinquenz von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen gegenüber den politischen Gremien. Sie enthält Angaben über
a) die Zusammensetzung der Stadtteilkonferenzen zum Thema Sicherheitspartnerschaften
b) die zusammengetragenen Erkenntnisse
c) die Einschätzungen über mögliche Ursachen von delinquentem Verhalten
d) die abgestimmten Maßnahmen
e) die Zusammenarbeit mit anderen Stellen
f) die Auswertung der erzielten Ergebnisse

4 Austausch von Erkenntnissen zur Vermeidung von Kinder- und Jugenddelinquenz
Grundsatz
Personenbezogene Daten, die von einer beteiligten Institution einer anderen Institution zur Verfügung gestellt werden, dürfen nur zu dem Zweck verwandt werden, zu dem sie erhoben wurden. Ein Datenaustausch ist so zu gestalten, dass primär präventive Ziele verfolgt werden können.
Die Pflicht zur Strafverfolgung durch die Polizei (Legalitätsprinzip) bleibt durch diese Vereinbarung unberührt.

4.1 Austausch zwischen der Polizei und Schulen sowie Einrichtungen der Jugendarbeit
Die Polizei kann selbst erhobene Daten über Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene, Familien und Dritte an betroffene Schulen und Jugendeinrichtungen weitergeben, wenn
• Gewalttaten (insbesondere Körperverletzung, Einsatz von Waffen, unerlaubter Waffenbesitz, räuberische Erpressung) von diesen ausgehen,
• illegale Drogen gehandelt werden oder
• konkrete Anhaltspunkte für Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung vorliegen
und hierdurch eine Gefährdung anderer Schülerinnen und Schüler bzw. Besucherinnen und Besucher verhindert werden kann. Die Datenübermittlung darf nicht unverhältnismäßige Reaktionen hervorrufen.

Ziel ist es, aufgrund der bekannten Vorkommnisse pädagogisch orientierte Maßnahmen zu ergreifen, die ein gleichartiges Fehlverhalten in der Einrichtung/Schule verhindern.

4.2 Austausch zwischen Schulen und Jugendeinrichtungen mit der Polizei
Die betreffenden Schulen und Jugendeinrichtungen geben der Polizei Kenntnis über vermutetes delinquentes Verhalten mit dem Ziel, gemeinsame Lösungswege zu finden.
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Polizei dem Legalitätsprinzip verpflichtet ist. Der Abwägungsprozess, ob eine Datenweitergabe notwendig und angemessen ist, kann nur aus der fachlichen Einschätzung der Institutionen erfolgen. Sie soll nicht die Vertraulichkeit von pädagogischen Beziehungen verletzen.

4.3 Austausch zwischen Schulen und Jugendeinrichtungen mit dem Allgemeinen Sozialdienst (ASD)
Der Allgemeine Sozialdienst gibt den Einrichtungen personenbezogene Daten weiter, soweit dies, unter Wahrung des Persönlichkeitsschutzes, der Minderung des allgemeinen Definquenzverhaltens dient.

Darüber hinaus können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Schule und der Einrichtungen in die Entwicklung geeigneter Hilfen einbezogen werden, wenn
• die Personensorgeberechtigten und, bei entsprechender persönlicher Reife, das Kind, der/die Jugendliche oder der/die junge Erwachsene zugestimmt haben oder
• eine Gefährdung des Kindeswohls nur abzuwenden ist, wenn eine Beteiligung der Einrichtung bzw. der Schule erfolgt.

5 Fortschreibung der Vereinbarung

Die Vereinbarungspartner verpflichten sich, diese Regelungen regelmäßig zu überprüfen und weiterzuentwickeln.

Kiel, den 02. Juni 2003
 
Martin Möller 
Stadtrat 
Dr. Meyer-Hesemann
Staatssekretär
Ulrich Lorenz
Staatssekretär

Paragraf – Schulrecht für Schleswig-Holstein