Koedukation

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Siehe auch  Kopftuch muslimische Schüler


Telefon (0431)
599-2709
Herr Paetow

Datum
.03.1994
14w6-70


Befreiung muslimischer Schülerinnen vom koedukativen Sportunterricht aus Gründen ihres islamischen Glaubens


Sehr geehrte Damen und Herren,


mit der Bitte um Kenntnisnahme teile ich Ihnen nachstehend inhaltlich die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zum Anspruch auf Befreiung vom koedukativ erteilten Sportunterricht aus religiösen Gründen vom 25.08.1993 mit:


1. Das Bundesverwaltungsgericht stellt nochmals fest, daß das Grundrecht auf Glaubensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) und der gleichermaßen mit Verfassungsrang ausgestattete staatliche Bildungs- und Erziehungsauftrag (Art. 7 Abs. 1 GG) gleichrangige Grundrechte sind. Im Konfliktfall ist bei dem daraufhin gebotenen schonenden Ausgleich beider Rechtspositionen im Rahmen "praktischer Konkordanz" zu berücksichtigen, daß die staatliche Schulverwaltung verpflichtet ist, alle ihr zu Gebote stehenden, zumutbaren organisatorischen Möglichkeiten auszuschöpfen, um jedenfalls für Mädchen ab dem Alter von 12 Jahren einen nach Geschlechtern getrennten Sportunterricht einzurichten und anzubieten. Nur dann, wenn die staatliche Schulverwaltung dieser Verpflichtung nicht nachkommt oder nicht nachkommen kann, ist der Konflikt in der Weise zu lösen, daß ein Anspruch auf Befreiung vom koedukativ erteilten Sportunterricht besteht.


2. Voraussetzung für die oben genannte Rechtsfolge ist das Vorliegen eines Glaubenskonfliktes. Für diesen Glaubenskonflikt besteht eine Darlegungslast. Die Schülerin muß darlegen, daß sie durch verbindliche Ge- oder Verbote ihres Glaubens gehindert ist, der gesetzlichen Pflicht zu genügen, und daß sie in einen Gewissenskonflikt gestürzt würde, wenn sie entgegen den Ge- oder Verboten ihres Glaubens die gesetzliche Pflicht erfüllen müßte. Die Darlegung des Gewissenskonfliktes muß konkret, substantiiert und objektiv nachvollziehbar erfolgen. Es reicht nicht die bloße - nicht ernsthafte, möglicherweise aus anderen Gründen vorgeschobene - Berufung auf behauptete Glaubensinhalte und Glaubensgebote.


3. Ist der Glaubenskonflikt in dem beschriebenen Sinne dargelegt und glaubhaft gemacht, kann die Schülerin einen Anspruch auf Befreiung vom koedukativen Sportunterricht geltend machen. Nur wenn die Schule einen nach Geschlechtern getrennten Sportunterricht nicht einrichten kann, ist eine gänzliche Befreiung vom Sportunterricht vorzunehmen.


4. Weiterungen für andere Unterrichtsfächer und sonstige Schulveranstaltungen ergeben sich aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nicht. Das Gericht stellt ausdrücklich fest, daß die Besonderheiten, die im Fach Sport gegeben sind, bei allen anderen Fächern nicht vorliegen.


Mit freundlichen Grüßen Im Auftrage


Karl-Friedrich Paetow


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