Gibt es Alternativen zur
Behandlung von Kopflausbefall mit handelsüblichen Arzneimitteln Wirkstoffe
Lindan, Pyrethrum, Pyrethroide u.ä.) unter besonderer Berücksichtigung
amtsärztlicher Belange?
Zunächst möchten wir klarstellen, daß grundsätzlich alle in Deutschland
gemäß Arzneimittelgesetz zugelassenen Kopflausmittel entsprechend ihren
Anwendungsvorschriften "empfehlenswert" sind, solange keine gegenteiligen
Informationen (Anwendungsbeschränkungen oder Rücknahme der Zulassung) des
Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vorliegen. Sollten
konkrete Verdachtsmomente einer Gesundheitsgefährdung bei sachgerechter
Anwendung der Mittel vorliegen, so müßte ein Stufenplanverfahren gegen diese
Mittel eingeleitet werden, was unseres Wissens bisher nicht erfolgt ist. Uns
liegen auch keine Informationen vor, daß in den letzten Wochen für eines
oder mehrere dieser Mittel die Zulassung zurückgenommen worden wäre (Stand:.
März '95).
Vom Institut für Wasser-, Boden.- und Lufthygiene des ehemaligen
Bundesgesundheitsamtes, jetzt des Umweltbundesamtes, wurden folgende 4
Präparate nach erfolgter Zulassung zusätzlich auf Brauchbarkeit gemäß
Bundes-Seuchengesetz (§§ 10c und 45 ff) geprüft, zur
Massenanwendung unter Kontrolle der Gesundheitsbehörden in
Gemeinschaftseinrichtungen anerkannt und gelistet:
- Goldgeist forte (Wirkstoff: Pyrethrum Extrakt)
-Jacutin-Gel (Wirkstoff: Lindan)
ab 1995 werden in die Liste aufgenommen:
- Jacutin N (Wirkstoff Bioallethrin RS)
- Organoderm (Wirkstoff Malathion)
Weitere geprüfte, brauchbare Präparate sind nicht mehr in der
Entwesungsmittelliste aufgeführt, weil sie in Deutschland nicht mehr
verfügbar sind.
Bei ihrem Einsatz sind die Anwendungsvorschriften der Mittel genau zu
beachten. Häufige Fehler mit unzureichender Wirksamkeit als Folge sind
-Unterdosierungen (absolut oder auch relativ durch „Verdünnung" des Mittels
im vorher gewaschenen, zu nassem Haar!) sowie eine fehlende oder zu frühe
Nachkontrolle oder ggf. notwendige oder unterlassene
Nachbehandlung nach 7 - 10 Tagen.
Die Wiederzulassung Befallener zur Benutzung von Schulen oder Kindergärten
nach Entlausungsbehandlungen ist tatsächlich unmittelbar im Anschluß an eine
erfolgreiche Behandlung möglich (i.d.R. also nach
Anwendung eines der o. g. Mittel am nächsten Tag).
Nach einer solchen sachgerecht durchgeführten Behandlung sind i.d.R.
alle Läuse (Adelte und Larven) auf dem Kopf tot oder so stark geschädigt,
daß selbst im theoretischen Fall einer Abwanderung auf einen nicht
befallenen und behandelten Kopf eine Infestation unmöglich ist, da es weder
zu einem Blutsaugakt noch zu einer Vermehrung derartig geschädigter Läuse
kommt. Bei unsachgemäßer Anwendung von Kopflausmitteln (z.B. von der
Kopfmitte zum Haaransatz hin statt umgekehrt) kann es dagegen sehr wohl
durch den Austreibeeffekt des Mittels zu einer Abwanderung
infestationsfähiger Läuse kommen.
Das mit bloßem Auge festgestellte „Vorhandensein" von Nissen ist zunächst
kein Kriterium für den Erfolg einer Behandlung bzw. für eine mögliche
Ansteckungsgefahr. Erfahrenes und entsprechend ausgebildetes Fachpersonal
kann durch Inspektion des Kopfes per Lupe oder durch stereomikroskopische
Untersuchung abgesammelter Läuse und Nissen deren letale Schädigungen
beurteilen. So treten z.B. bei Nissen Schrumpfungen, Strukturauflösungenund
Verfärbungen, bei älteren embryonierten Eiern
zusätzlich verlangsamte Organkontraktionen und lytisch bedingter
Strukturverlust sowie ein Steckenbleiben der Larven im Schlupfvorgang auf
Häufig werden derartig geschädigte Nissen fälschlicherweise noch als „LäusebefaII"
gewertet und unnötigerweise nachbehandelt.
Eine Läusefreiheitsbescheinigung dagegen kann tatsächlich erst im Rahmen
einer ca. 8 Tage nach der Behandlung durchzuführenden Kontrolluntersuchung
erteilt werden, wenn offensichtlich kein Nachschlupf
aus vor der Behandlung abgelegten Nissen erfolgt ist bzw. die
nachgeschlüpften Larven durch die Residualwirkung des eingesetzten Mittels
abgestorben sind und ,keine vitalen Nissen mehr zu finden sind. Ist eines
der Kriterien nicht erfüllt, sollte umgehend (8. -
10. Tag nach Erstbehandlung) eine Wiederholungsbehandlung erfolgen.
In der Broschüre "Lausige Zeiten ohne Gift" von der
Verbraucherzentrale Hamburg (1994) werden einige .alternative"
Behandlungsmethoden aufgeführt. Dazu möchten wir wie folgt Stellung nehmen:
Für alle dort aufgeführten Methoden gilt, daß sie für
behördlich angeordnete Maßnahmen in Gemeinschaftseinrichtungen aus
unterschiedlichen Gründen nicht geeignet sind!
Haushaltsessig hat keine läuse- oder nissentötende, sondern allenfalls eine
schwach nissenablösende Wirkung.
Zu Rapsölemulsion liegen uns keine Erkenntnisse zur Wirksamkeit gegen
Kopfläuse vor.
Von Saunabesuchen zur Läusebehandlung raten wir dringend ab. Die
Lufttemperatur' von 80 °C wird nicht auf der Haut bzw.
im Kopfhaar erreicht, da durch- die Schweißproduktion und die
folgende Verdunstungskälte auf der Körperoberfläche
gegenreguliert wird. Welche Temperaturtatsächlich über welchen Zeitraum im
Kopfhaar erreicht wird, ist also fraglich.
Zur Behandlung von Kopfläusen mit Warmlufthauben:
Nach unseren experimentellen Erfahrungen sind 45-46 °C im Bereich der
Kopfhaut/Haarbasis, ausgestrahlt mit Rippen-Warmluftstrom-Hauben
über eine Stunde ausreichend, die Läusepopulation
einschließlich der Nissen auf Köpfen zu töten.
Bereits ab Temperaturen von 48°C unmittelbar auf der Kopfhaut kann es zur
Schädigung der Kopfhaut kommen, 65 °C (wie in der Broschüre angegeben) führen
zu Verbrennungen!
Die Anwendung der Hauben, wenn sie im Sinne des Warmlufthaubenverfahrens
funktionieren, kann bei Einzelpersonen eine
Alternative sein, bei größeren Personengruppen wegen des insgesamt
langwierigen, erheblichen Aufwandes jedoch nicht. Bei letzteren wäre es
notwendig, eine größere Anzahl von Hauben gleichzeitig zu betreiben. Zu
beachten ist außerdem, daß zu Beginn einer solchen Heißluftbehandlung die
Läuse aus dem heißen Temperaturbereich fliehen, d.h. in die
Nacken-Schulter-Region auf die Kleidung abwandern. Eine Entwesung der so
befallenen Kleidung ist deshalb unbedingt notwendig (Waschen bei 60 °C). Die
Ansteckungsgefahr ist besonders bei Kindern und Jugendlichen über den Tausch
von Mützen, Schals, Jacken etc., über das Zusammenhängen von Oberbekleidung
sowie über gemeinsam benutzte Haarpflegegeräte groß!
Zu Schwefel Eucerin-Lösungen liegen uns keine Erkenntnisse zur Wirksamkeit
gegen Kopfläuse vor.
Mit Ausnahme der Heißlufthaube, sofern sie sachgerecht angewendet wird,
müßten alle in der Broschüre genannten "Hausmittel"
mehrmals über 8 Tage angewendet werden, teilweise sogar täglich.
D.h. eine Wiederzulassung in Schulen o.ä. wäre erst nach Abschluß dieser
Behandlungsprozedur - sofern sie überhaupt
erfolgreich war - möglich. Ob eine solche Vorgehensweise in der Praxis
durchführbar und unter Berücksichtigung der raschen Verbreitung von
Kopfläusen sinnvoll ist, muß bezweifelt werden.
Dr. Jutta Herrmann; Umweltbundesamt, Institut für Wasser-, Boden- und
Lufthygiene
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